Der Knochenmönch
Bericht gehört hatte, nickte er. »Das ist alles sehr geheimnisvoll. Wie ich es mir schon dachte.«
»Hatten Sie einen Grund für Ihren Verdacht, Sir?«
»Ja, aber bleiben wir mal bei Ihrem Priester. Sie haben da von Sonderaufgaben gesprochen – oder?«
Ich nickte.
»Könnte er mit der Weißen Macht zu tun haben?«
Mein Lächeln fiel kantig aus. »Daran habe ich auch schon gedacht, Sir, wenn auch noch nicht darüber geredet. Ich gehe sogar davon aus, daß er für den Geheimdienst des Vatikans arbeitet und irgend etwas herausgefunden haben muß, wie auch dieser William Cartland, der in einer Kirche ermordet wurde.«
»Das nehme ich auch an, John.«
»Dabei denke ich natürlich an die beiden anderen Namen, die im Raum stehen.«
»Stimmt.« Da wir ihn gespannt anschauten, ließ er sich etwas Zeit mit der Antwort. »Aber ich muß Sie enttäuschen, John, denn ich habe nichts herausfinden können, was negativ auf die beiden Herren zurückschlagen könnte.«
»Es gibt sie aber.«
»Natürlich. Sogar in sehr exponierten Stellungen.«
»Was machen sie denn?«
Sir James winkte ab. »Ich möchte, daß Sie unbefangen bleiben. Mir wurde etwas im Vertrauen gesagt, das ich für mich behalten möchte. Sollten Ihre Nachforschungen Sie zu einem Ergebnis führen, können wir über die Details sprechen. Im Moment scheint es mir nicht ratsam.«
»Ein heißes Eisen also«, sagte Suko.
»Sogar glühend.«
Mein Freund schaute mich an. Er sah, daß ich mit Enttäuschung und Wut zu kämpfen hatte, denn so etwas war mir selten oder noch gar nicht passiert. Was konnte denn so weltbewegend und schlimm sein, daß unser Chef uns nicht informierte?
Sir James erhob sich. »Ich weiß, was in Ihnen beiden vorgeht, aber glauben Sie mir, es ist besser, wenn ich schweige.« Er ging zur Tür und wünschte uns viel Erfolg.
»Dann ziehe ich mich auch besser zurück«, sagte Glenda. Auch sie spürte etwas von der Explosivität innerhalb der vier Bürowände.
Ich schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Sind wir denn hier die Deppen?« fuhr ich Suko an.
»Frag mich das nicht, sondern Sir James.«
»Toll, dein Vorschlag.«
Suko legte die Hände gegeneinander. »John, hier geht es zur Sache, sage ich dir. Ich weiß nicht, was wir hier aufgerührt haben, aber in dem Topf scheint es zu brodeln, und irgendwann läuft er über. Dir ist doch klar, daß ein geheimnisvoller Killer versucht, jegliche Spuren zu verwischen? Radikal, eiskalt. Wer so vorgeht, der hat verdammt viel zu verbergen, das sage ich dir. Das geht schon an die Grundfesten.«
»An welche?«
»Kirche?«
»Kann sein. Weiter.«
»Vatikan?«
»Auch möglich. Noch was?«
»Die Weiße Macht.«
»Und damit die Bundeslade, wie?«
Suko zeigte ein Grinsen, das nicht echt war. »Vielleicht sollten wir uns mit unserem römischen Freund, Father Ignatius, in Verbindung setzen.«
Sehr langsam nickte ich. »Ja, das ist eine gute Idee. Aber erst möchte ich mit Driscoll reden…«
***
Er sah aus wie ein gefährlicher, düsterer Raubvogel, als er über das silbrig schimmernde Eis der Bahn glitt, den Kopf vorgestreckt, als wollte er jede Bewegung und jede Witterung in sich aufnehmen. Seine leicht gekrümmte Nase wirkte dabei wie der Schnabel eines großen Vogels.
Die Hände hatte der Mann auf den Rücken gelegt, und die Schöße seiner dunklen Jacke flatterten im Wind.
Der Ausdruck in seinem Gesicht war als überirdisch anzusehen. Die Augen hatten einen harten, dennoch irgendwie träumerischen Glanz. Er sah die anderen Eisläufer nicht, er glitt zwischen ihnen hindurch wie ein Schatten. Er fuhr tatsächlich perfekt. Diese Bahn war seine Heimat. Er war nur ein Mensch unter vielen, trotzdem sah es so aus, als würde ihm die Bahn allein gehören.
Es sah aus, als würde er schweben. Seine Bewegungen waren kräftig, dennoch von einer unnachahmlichen Eleganz und Grazie, wie eben nur ein absoluter Könner über das Eis glitt.
Für Bruder Driscoll war es die absolute Entspannung. Daß er seine
›Dienstkleidung‹ trug, störte ihn nicht. Die anderen Stammläufer hatten sich längst an ihn gewöhnt. Es wäre aufgefallen, wenn er mal einen Tag nicht erschienen wäre.
Noch etwas kam hinzu.
Driscoll war stets der letzte Läufer, der das Eis verließ. Er zog noch dann seine Runde, wenn die Hauptlichter längst erloschen waren und nur mehr die Notbeleuchtung brannte. Dieses Privileg war ihm zugestanden worden. Erst dann konnte er noch einmal Kraft für das Finale
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