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Der Koch

Der Koch

Titel: Der Koch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Suter
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war.
    »Wo ist Ihre Frau?«, fragte eine Stimme neben ihm. Es war die junge Tamilin aus dem Tram, die er damals umgerissen hatte. Sie hatte das Gesicht zu ihm hochgewandt und sah ihn forschend an. Wie hieß sie? Sandana?
    »Hallo, Sandana, Vanakkam, willkommen. Ich habe keine Frau.«
    »Meine Mutter hat sie gesehen. In Ihrer Wohnung.«
    »Wann war Ihre Mutter in meiner Wohnung?«
    »Sie hat mal Mothagam für den Tempel abgeholt.«
    Jetzt erinnerte er sich. Deshalb war ihm die Frau damals bekannt vorgekommen.
    »Ach so, das war Andrea. Sie ist nicht meine Frau. Wir arbeiten zusammen. Ich koche, sie macht das Organisatorische und den Service.«
    »Sie ist keine Tamilin.«
    »Nein, sie wurde hier geboren.«
    »Das wurde ich auch. Und trotzdem bin ich Tamilin.«
    »Ich glaube, sie ist Schweizerin. Weshalb interessiert Sie das?«
    Ihre dunkle Haut färbte sich noch ein wenig dunkler. Doch ihren Blick wandte sie nicht ab. »Wenn ich Sie schon sehe.«
    Die Prozession hatte wieder den Tempeleingang erreicht. Die Menge bildete einen Halbkreis um die Kali-Statuette. Maravan wurde im Gedränge dicht an Sandana geschoben. Sie verlor kurz das Gleichgewicht und hielt sich an ihm fest. Er spürte ihre weiche warme Hand an seinem Handgelenk. Sie behielt sie dort, ein wenig länger als nötig.
    »Kali, Kali! Warum hilfst du uns nicht?«, schluchzte eine Frau. Sie streckte der Göttin flehend die Hände entgegen und schlug sie sich vors Gesicht. Zwei Frauen neben ihr stützten sie und führten sie weg.
    Als Maravan sich wieder Sandana zuwandte, sah er gerade noch, wie ihre Mutter sie wegzog und dabei eindringlich auf sie einsprach.
     

21
    Die Finanzkrise war in Europa angekommen. England hatte Bradford & Bingley verstaatlicht, die Beneluxstaaten neunundvierzig Prozent des Finanzkonzerns Fortis. Die dänische Bank Roskilde konnte nur dank ihrer Konkurrenten überleben. Die isländische Regierung hatte die drittgrößte Bank Glitnir übernommen, kurz darauf alle Banken unter staatliche Kontrolle gestellt und eindringlich vor der Gefahr eines Staatsbankrotts gewarnt.
    Die europäischen Regierungen stellten der Finanzbranche eine Billion Euro zur Verfügung.
    Auch die Schweizer Regierung ließ verlauten, dass sie notfalls weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Finanzsystems und zur Sicherung der Einlagen der Bankkunden ergreifen würde.
    Im Huwyler war die Krise noch nicht angekommen. Außer in der Person von Eric Dalmann.
    Er saß mit seinem Anlageberater, Fred Keller, wie immer an Tisch eins, aber heute auf Rechnung seines Gastes. Nicht etwa, weil es so schlimm um ihn gestanden hätte, aber Keller sollte es ruhig in seinem eigenen Portemonnaie spüren, was er angerichtet hatte.
    Denn der hatte einen beachtlichen Teil seines
venture capital,
wie Dalmann augenzwinkernd den Teil seines Kapitals nannte, den er etwas spekulativer einsetzte, im amerikanischen Subprime-Markt investiert. Das nahm Dalmann ihm nicht übel, er war ja auch ein risikofreudiger Investor. Was er Keller aber nachtrug, war, dass der ihm empfohlen hatte, die Krise auszusitzen, als sie noch in ihren Anfängen stand. Der zweite grobe Schnitzer bestand darin, dass er alle diese Geschäfte über Lehman Brothers tätigte. Und der dritte, dass er den Teil des Kapitals, den er in Europa gelassen hatte, hauptsächlich in Anleihen in isländischen Kronen investiert hatte.
    Und der vierte: dass ein beträchtlicher Teil des nicht spekulativen restlichen Vermögens in Finanztiteln angelegt war, namentlich in Aktien der größten Schweizer Bank.
    Das Essen war denn auch bis jetzt eher wortkarg verlaufen. Sie aßen die Vorspeise des Menu Surprise, getrüffelte Wachtelmousse mit Wachtelessenz und Apfelkristallen, Dalmann auf seine gierige, gedankenlose Art, Keller mit etwas mehr Sorgfalt und Kinderstube.
    »Niemand hat es kommen sehen«, betonte er. Er hatte den Satz schon einmal gesagt, bevor der Kellner den Gang gebracht hatte. Aber Dalmann hatte nicht darauf reagiert.
    Jetzt tat er es: »Und weshalb ist es dann hier so voll?«, schnappte er. »Die sind alle ganz entspannt. Wer hat die beraten?«
    »Die haben vielleicht einen niedrigeren Risikokapitalanteil. Den Risikokapitalanteil bestimmt der Kunde. Das habe ich immer gesagt. Der Kunde sagt, welchen Prozentsatz er konservativ anlegen will und welchen etwas dynamischer.«
    »Dynamischer!«, stieß Dalmann aus, und dabei wurde ein winziges Stückchen Wachtelmousse auf den Teller seines Beraters katapultiert. Keller blickte mit

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