Der Köder
von
Verdächtigen zu tun, und fast immer handelte es sich um
Familienmitglieder. Ihm war ein Psychopath im Drogenrausch
allemal lieber als Verwandte, die einander umbrachten. Nichts
grässlicher als ein mörderischer Familienstreit.
Gino kam über den Parkplatz zurück. Sein breites Gesicht war
von der Sonne bereits rosarot, und das Halfter mit seiner Neun-
Millimeter schlug leicht gegen seine karierten Bermudas. Er ließ sich auf die Bank sacken und wischte den Schweiß ab, der sich auf seiner Stirn sammelte. «Ist es zu glauben, dass es letzte Woche noch
geschneit hat? Ist heißer als in der Hölle hier draußen. Sind doch bestimmt bald dreißig Grad, und wir haben noch nicht mal Mittag.
Wenn doch bloß der Sohn bald kommt, damit wir hier die Biege
machen können.»
«Was sagt Langer?»
Gino beugte sich vor und rieb die Hände. «Eine wirklich
interessante Geschichte: Er und McLaren haben ein Haus voller Blut und keine Leiche, und Peterson und Tinker draußen an den Gleisen
haben eine Leiche und nicht genügend Blut. Dank des Wunders von
Mobiltelefon können sie miteinander kommunizieren, und Voilà: Es stellt sich heraus, dass der Alte, dem das blutige Haus gehört,
wahrscheinlich der Typ ist, den man an die Schienen gebunden hat.
Sie wollen ihn erst noch von der Haushälterin identifizieren lassen, aber es sieht gut aus.»
Magozzi richtete sich auf der Bank ein wenig auf und runzelte
die Stirn. «Da soll noch einer durchsteigen.»
«Du sagst es. Nach dem, was sie sich bis jetzt zusammenreimen
können, muss jemand diesen alten Mann in seinem Haus
angeschossen und eine Arterie im Arm getroffen haben. Und jetzt
kommt's: Man hat ihm den Arm abgebunden, damit er nicht
verblutete, bevor sie ihn zu den Gleisen schaffen konnten. Gruselig, oder? Sie wollten, dass er am Leben blieb und den Zug kommen sah.
Anant hat ihn zwar noch auf dem Tisch, aber er tippt auf
Herzschlag.»
«Oh, Gott.» Magozzi grübelte lange darüber nach, aber er mochte
nicht, was ihm einfiel. «Sie haben ihn zu Tode erschreckt.»
«Sieht so aus. Angeschossen wurde er jedenfalls mit einer 45er,
und unser Opfer hier wurde mit einem kleineren Kaliber erschossen.
Die beiden Tathergänge lassen keine Verknüpfungen zu.»
«Also keine Verbindung zwischen unserem und ihrem Toten.»
«Nur dass es sich bei beiden um alte Männer handelte, die in
derselben Gegend wohnten.»
Magozzi rieb sich die Augen und spürte dabei den Schweiß, der
sich auf seinen Lidern sammelte. «Nicht mal das gefällt mir
sonderlich.»
«Mir auch nicht. Aber sonst passt nichts zusammen, auf den
ersten Blick sieht es wohl so aus, dass wir nach zwei Mördern
suchen.» Gino beäugte die Plastiksäcke neben der Bank. «Sind das
die Säcke, die die alte Dame ganz allein getragen hat?»
Magozzi schloss die Augen und schmunzelte. «Nein. Das sind
die, die sie mich hat schleppen lassen. Fünfzehn Kilo pro Sack. Ich dachte, ich müsste sterben.»
«Was für ein klasse Detective doch aus dir geworden ist – einer,
der Schwerstarbeit für eine Mordverdächtige leistet.»
«Sie ist alt. Sie hat mich darum gebeten. Respekt vor dem Alter
und so. Und ein bisschen männlicher Stolz war auch dabei, denn
schließlich hat sie die 25-Kilo-Säcke mit Blumentopferde allein
geschleppt.»
«Du glaubst also, dass sie die Leiche bewegt haben könnte.»
«Nicht mehr als nötig. Sie hat die Schubkarre benutzt, um ihn
nach drinnen zu schaffen.»
«Himmel, ist das gruselig. Den toten Ehemann in einer
Schubkarre durch die Gegend zu fahren. Aber jedenfalls nicht so
gruselig, wie ihn zu baden und zu rasieren. Das macht mir verdammt zu schaffen. Und komm mir bloß nicht damit, dass man es früher
eben so machte, denn das weiß ich. Aber wir leben nicht in früheren Zeiten, und es ist einfach unheimlich.»
Magozzi sagte achselzuckend: «Vielleicht leben einige alte
Menschen immer noch in der Vergangenheit. Aber mir ist diese
Chose auch nicht geheuer. Ich kann mir vorstellen, dass da noch was anderes ist.»
Gino hob die Brauen. «Ja?»
«Ich glaube nicht, dass sie ihn umgebracht hat, aber da ist noch
etwas, was wir bisher nicht gesehen haben.»
«Und das wäre?»
«Weiß nicht. Es ist nur so ein Gefühl. Warum riechen diese
Säcke eigentlich nach Schokolade?»
«Mulch von Kakaobohnen. Man streut es um seine Pflanzen, auf
Gartenwege und so. Riecht nach Hershey-Riegeln, wenn's regnet.
Toll, was?»
«Ich weiß nicht. Wie hält man die Nachbarskinder vom
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