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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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nicht jeden Tag einmal allein lassen, um wegen frischer Sachen nach Hause zu fahren.
    Der Wandschrank roch nach Hannah. Es war nur eine leichte
    Zitrusnote, und doch hätte es ihn beinahe umgehauen, als er die
    Falttüren öffnete. Er stand da, die großen Hände hilflos links und rechts hinunterhängend, die massigen Schultern hochgezogen und
    nach vorn eingeknickt, als hätte man ihm gerade einen heftigen
    Schlag in die Magengrube versetzt. Er hielt den Blick starr auf
    raschelnde Seide und weiche Baumwolle gerichtet, die von dem
    Luftzug bewegt wurden, der beim Öffnen der Türen entstanden war.
    Traurige leere Hüllen in zarten Farben, die der Körper seiner Frau einmal ausgefüllt hatte. Der Mann, der sie getötet hatte, inzwischen auch schon seit sieben Monaten tot, tötete ihn jeden Tag. Wieder und wieder.
    Sie trug das lange, hauchdünne weiße Kleid, in dem sie zu
    schweben schien, wenn sie ging. Er hatte es erst am selben Tag im Schaufenster gesehen, wo es leblos an einer Puppe hing und sich danach zu sehnen schien, von Hannahs schlanken Kurven in Form gebracht zu werden. Sie hatte ihr altes schwarzes Kostüm schon fast angezogen, als er das Kleid ins Schlafzimmer trug, über seinen muskulösen Armen drapiert wie ein Altartuch aus feiner Gaze. Sie musste weinen, als sie es anzog, worüber Marty lächelte. Hannah musste immer weinen, wenn sie glücklich war.
    An jenem Abend feierten sie das Leben. Nachdem sie es sieben
    Jahre lang versucht hatten, war Hannah schwanger.
    «Nenn es nicht so», forderte sie ihn auf.
    «Warum denn nicht?»
    «Weil ich das Wort nicht mag. Es klingt nicht schön. Wer würde so ein hässlich klingendes Wort benutzen, um einen so wundervollen Zustand zu beschreiben? Ich habe beschlossen, dass ich nicht
    schwanger bin. Sondern guter Hoffnung auf ein Kind.»
    «Sehr biblisch.»
    Ihr Lachen klang wie Musik im fast leeren Parkhaus. Sie hatten nach dem Abendessen sehr lange im Restaurant verweilt, und nun lauerten überall Schatten. Einer davon sprang hinter einem Pfeiler hervor und packte Hannah von hinten. Er presste die bösartig
    blitzende Klinge eines sägeförmig gezackten Messers gegen ihre weiße Kehle.
    Er war clever gewesen, dieser verzweifelte, schlaksige Bursche mit dem irren Blick, dem fettigen blonden Haar und den
    Einstichnarben auf beiden Armen. Er hatte zuerst Hannah gepackt, denn er wusste, dass er damit Marty sofort kaltstellte.
    Aber Marty war ein Cop. Ein Rauschgiftfahnder, verdammt noch
    mal. Er hatte jeden Tag seines Lebens mit solchen Leuten zu tun. Er wusste, was sie wollten. Er wusste, wie man mit ihnen umzugehen hatte.
    «Ganz ruhig, Junge. Ich habe fast fünfzig Dollar in meiner
    Brieftasche. Viel ist es nicht, aber mehr habe ich nicht, und es gehört alles dir. Lass sie los.»
    «Zuerst das Geld. Wirf es hier rüber.»
    «Kein Problem. Ich muss nur an meine Innentasche, okay? Siehst du? Ich mache ganz langsam, werfe das Geld auf den Boden, und dann drehen wir uns um und gehen einfach davon. Geht das für dich in Ordnung?»
    Der Junge hatte blaue Augen, die vor schier unstillbarer Gier funkelten. Für einen kurzen Augenblick, nur einen ganz kurzen Augenblick, dachte Marty, dass er womöglich einen Fehler machte.

Die Augen des Jungen waren zu blau, blickten zu intensiv, waren zu sehr fixiert. Heroin hatte diese Wirkung nicht, ebenso wenig Crack.
    Ihm schoss durch den Sinn, dass er vielleicht etwas viel Schlimmeres genommen hatte, eine von diesen neuen tödlichen Mischungen, die in ausgebrannten Hirnen zu Atomexplosionen führten.
    Er öffnete ganz langsam das Revers seines eleganten Jacketts, um die Innentasche zu zeigen, unter deren Seide sich die viereckige Form einer Brieftasche abzeichnete. Aber er hatte etwas vergessen.
    Herrgott noch mal, er hatte das Messer an Hannahs Kehle gesehen und vergessen, was er eigentlich hätte wissen müssen. Er hatte vergessen, dem Jungen etwas von der Waffe zu sagen, die er tragen musste, ob er nun im Dienst war oder nicht. Er sah das Entsetzen und die Furcht in zu sehr glänzenden Augen und dann das Messer aufblitzen, als es sich in den Hals grub. Er sah, wie Hannahs Leben in einem solchen Schwall Blut aus ihr strömte, wie er ihn nie für möglich gehalten hätte.
    Er hielt Hannah in den Armen, während sich ihr weißes Kleid rot färbte, drückte hektisch die Tasten seines Handys und informierte das Revier. Dann warf er das Handy beiseite und schaukelte sanft seine Frau. Die klaffende Wunde in ihrem Hals war so tief,

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