Der Köder
und
Dankbarkeit Magozzi und den anderen Polizisten gegenüber, die den realen jahrelangen Horror beendet hatten, wenn auch nicht die
fortdauernden psychischen Nachwirkungen. Auf der anderen Seite,
überlegte sie, waren es Polizisten von anderem Schlag gewesen, die sie überhaupt in Lebensgefahr gebracht hatten, und wenn sie
Magozzis verbissene Gesetzestreue respektierte, erwies sie dann
nicht auch der Haltung jener Polizisten ihren Respekt?
Es dauerte nur wenige Augenblicke, das Betriebssystem eines
Computers neu zu konfigurieren und die Suchparameter für die
Bank- und Telefondaten der drei Opfer zu initiieren. Die Sites von Banken und Telefongesellschaften waren für Grace Freiwild. Die
Mistkerle verkauften jede Einzelheit aus dem Leben ihrer Kunden an den Höchstbietenden und gaben sich selbstgerecht als Hüter der
Privatsphäre, wenn die Polizei um Informationen bat. Es wollte ihr nicht einleuchten, dass die Polizei einen Beschluss brauchte, die Telemarketer aber nicht, und daher hackte sie sich regelmäßig und voller Schadenfreude in diese Sites. Außerdem wusste Magozzi
verdammt gut, dass sie zu diesem Mittel greifen würde, wenn er sie um Hilfe bat, ob darüber nun ausdrücklich gesprochen wurde oder
nicht.
Bei den anderen Sites, zu denen sie sich Zugang verschaffen
wollte – Steuerbehörde, Kreditkarteninstitute und FBI –, war die
Rechtfertigung prekärer, aber das verlangsamte nicht das Tempo, mit dem sie zu dem großen IBM rollte und gut gelaunt die Finger über
ihre Tastatur tanzen ließ. Sie war noch immer sauer auf das FBI, und manchmal hackte sie sich einfach aus reiner Bosheit in deren Sites.
Aber diesmal war es etwas anderes. Sie tat es für Magozzi. Sie
würde es ihm natürlich nicht erzählen. Es gab keinen Grund, den
Mann damit zu quälen, dass er persönlich von Computerkriminalität Kenntnis hatte.
Das Telefon klingelte in dem Moment, als ihr Drucker kleine
Tintentropfen in Form von Sternchen auszuspucken begann. Grace
nahm ab und schmunzelte, als sie im Hintergrund Countrymusic und
heiseres Gelächter hörte. «He, Annie. Was tust du denn schon
morgens in einer Bar?»
Eine warme Stimme antwortete ihr schleppend und honigsüß.
«Ich bin in keiner Bar, sondern in einer Cantina, und hier haben sie die besten huevos rancheros der Stadt.»
«Hört sich aber an wie eine Bar.»
«Liebes, hier unten hört sich sogar die öffentliche Leihbücherei
an wie eine Bar. Die Leute wissen das Leben zu genießen. Grace, du musst deinen jämmerlich mageren Hintern dringend hier
runterschaffen. Du wirst es nicht glauben. Ich blicke auf einen Raum voller Männer in Stiefeln und mit wahrhaftig echten Cowboyhüten,
und weißt du was?»
Grace' Grinsen wurde breiter. «Ich wage nicht zu fragen.»
«Diese eingeborenen Jungs ziehen einem den Stuhl zurecht,
lüften zur Begrüßung den Hut und sind überhaupt so aufmerksam,
dass es dich vom höchsten Hocker haut. Und das Allerbeste ist, dass ich die dickste Frau in Arizona bin.»
«Darauf musst du ja sehr stolz sein.»
«Für Männer, die barocke Frauen mögen, bin ich das einzige
Angebot im Regal. Was zum Teufel habe ich so lange in Minnesota
gesucht? Da oben war ich nur ein Flusspferd unter vielen bei der
Tanzgruppe in Fantasia, hier unten bin ich die große, üppige Pfingstrose in einer Reihe von verhärmten Gänseblümchen. Mein
Gott, wie ich den Südwesten liebe, aber ich vermisse dein Gesicht.
Zum Teufel, ich vermisse sogar Harley und Roadrunner.»
«Ich vermisse dich auch, Annie. Du könntest ein bisschen öfter
anrufen.»
«Ich mache noch was viel Besseres. Ich komme dieses
Wochenende angeflogen. Ich habe gestern Abend mit Harley
gesprochen. Er sagt, das Wohnmobil müsste dieser Tage fahrbereit
sein.»
«Du willst den Trip mitmachen?»
Annies Lachen kam aus tiefster Kehle. «Würde ihn niemals
verpassen. Außerdem werden wir die Gelegenheit haben, das
durchzugehen, was ich hier unten bisher zusammensammeln konnte.
Du hast Magozzi doch gesagt, dass du fährst, oder?»
«Ich hab's ihm gesagt.»
«Hat er geweint?»
«Eigentlich… habe ich ihm nur von Arizona erzählt.»
Einen Augenblick lang konnte Grace am anderen Ende der
Leitung nur einen schnulzigen Cowboysänger hören, der klagte, sein Herz am Busbahnhof von Tulsa verloren zu haben. «Du kleine
Schlange», sagte Annie schließlich. «Du darfst den armen Mann
doch nicht derart an der Nase herumführen. Wir haben bereits
zusagt, bei dem Fall der
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