Der König auf Camelot
behaupten, der Lüge.
Zeige mir die falschen Propheten, und ich werde sie als Lügner entlarven.«
Der König schickte nach seinen Zauberern
und stellte sie Merlin gegenüber. Und nachdem dieser einem nach dem anderen ins
Gesicht gesehen hatte, sprach er: »Meister und mächtiger Zauberer! Erklärt mir
nun den Grund, weshalb des Königs Werk scheitert und die Mauern nicht stehen
bleiben? Wenn Ihr mir nicht erklären könnt, warum der Turm immer wieder bei
Nacht von der Erde verschluckt wird, wie könnt Ihr dann glaubhaft raten, daß
mein Blut den Bau vor dem Einstürzen bewahren kann?« Alle Zauberer schwiegen
betreten und keiner antwortete Merlin auch nur mit einem Wort. Als er sie nun
so beschämt hatte, sprach Merlin zum König dies: »Sire, hört, was ich rate.
Unter den Fundamenten Eures Turmes liegt ein Teich, groß und tief ist er, und
ob dieses Wassers stürzt Euer Gebäude jedesmal wieder ein. Ihr könnt das
nachprüfen lassen. Befehlt Euren Männern zu graben. Dann wird sich
herausstellen, daß ich recht habe.« Der König hieß Männer graben, und bald
stießen sie beim Ausschachten zu jenem Teich vor, auf den Merlin hingewiesen
hatte.
»Meister und große Zauberer!« rief Merlin,
»hört noch einmal her. Ihr habt den Rat gegeben, mein Blut unter den Mörtel zu
mischen. Sagt jetzt, was verborgen ist, in diesem Teich.« Wieder blieben alle
Zauberer stumm und machten lange Gesichter. Weder mit gutem Zureden noch mit Schelte war
ihnen auch nur ein Wort zu entlocken. Da wandte sich Merlin wieder an den
König:
»Laßt Gräben ziehen, damit das Wasser aus
dem Teich abfließen kann. Auf dem Grund werdet Ihr zwei hohle Steine finden und
zwei Drachen schlafen in diesen Höhlungen.«
Darüber erstaunte der König sehr, aber er
ließ die Gräben ziehen von den Arbeitern, wie Merlin geheißen. Als das Wasser
abgeflossen war, sprangen die beiden Drachen auf und starrten einander stolz
und böse an. Vorbei war es mit ihrer Zufriedenheit, sie stürzten verbissen
kämpfend aufeinander los. Genau konnte man erkennen, wie Schaum vor ihren
Mäulern stand und wie Flammen aus ihren Rachen züngelten.
Der König setzte sich an den Rand des
Teiches, und er bat Merlin, ihm zu erklären, was dieser Drachenkampf zu
bedeuten habe. Die Drachen, so deutete es ihm Merlin, seien die Zauberbilder
zweier Könige, die wild miteinander kämpften. Merlin tat dann jene
Prophezeiungen, von denen Ihr alle gewiß auch schon gehört habt. Ich sage
nichts mehr darüber, denn ich fürchte mich, Merlins Prophezeiungen zu
übersetzen, weil ich, was die Auslegung angeht, nicht sicher bin. Es ist gut,
meine Lippen zu verschließen, denn der Verlauf der Ereignisse könnte mich Lügen
strafen.
Der König aber pries Merlin ob seiner
Fähigkeiten und hielt ihn für einen wahren Propheten. Er verlangte von dem
Jungen zu wissen, zu welcher Stunde er, der König, sterben werde und auf welche
Art, denn er hatte große Furcht vor dem Sterben.
»Hüte dich«, sagte Merlin, »hüte dich vor
den Söhnen des Constantin. Durch ihre Hand wirst du den Tod erleiden. Sie sind
bereits in Armorica (Bretagne) mit hochfliegenden Erwartungen abgefahren. Jetzt
befinden sie sich auf See.
Du wirst sehen, und auch dies ist ein
Beweis dafür, daß ich wahr spreche, morgen wird ihre Flotte mit 14 Galeeren
hier ankommen. Viel Böses hast du ihnen angetan. Viel Böses werden sie dir
antun, um sich zu rächen. An einem schwarzen Tag hast du ihren Bruder verraten,
und er hat deswegen den Tod gefunden. An einem schwarzen Tag und zu deinem
eigenen bitteren Schaden hast du diese heidnischen Sachsen als Hilfstruppen
angeworben. Du bist wie ein Mann, gegen den Pfeile abgeschossen werden von
beiden Seiten, und ich weiß nicht, ob du besser daran tust, dich gegen diese
Seite hin zu schützen oder gegen die andere. Auf der einen Straße nähert sich
das Heer der Sachsen und will dir dein Reich entwinden. Auf der anderen kommen
die rechtmäßigen Erben heran und trachten, dir die Krone vom Kopf zu reißen als
Preis für das Blut ihres Bruders. Wenn du noch kannst, so flieh, denn die
Brüder kommen rasch näher. Von ihnen wird Aurelius zuerst König werden, aber
auch er wird durch Gift sterben. Uther Pendragon, sein Bruder, wird dann auf
den Thron kommen. Er wird Frieden machen, aber auch er wird allzu rasch an Gift
sterben, das seine Freunde ihm in ein Getränk mischen. Dann wird Artur aus
Cornwall, sein Sohn, sich wie ein Eber in die Schlacht stürzen. Er wird die
Verräter bestrafen
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