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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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niemals einen Mann tötete, der um Gnade bat, und
niemals eine grausame Tat beging, die er hätte vermeiden können. Einer der
Gründe, weshalb er sich in Ginevra verliebte, war der, daß er ihr gleich zu
Anfang wehgetan hatte. Vielleicht hätte er sie nie als leibhaftige Person
beachtet, wenn er nicht den Kummer in ihren Augen gesehen hätte.
    Es
sind sonderbare Motive, die Menschen zu Heiligen werden lassen. Ein Mann, der
in puncto Anstand nicht unbedingt den höchsten Ehrgeiz entwickelte, wäre
möglicherweise einfach mit der Frau seines Heldenidols durchgebrannt.
Vielleicht wäre es dann nie zu der Arthur-Tragödie gekommen. Ein
Durchschnittsmensch, der sich nicht sein halbes Leben lang damit abquälte,
herauszufinden, was das Rechte ist, um so seine Neigung zum Falschen bezähmen
zu können, hätte möglicherweise den Knoten durchgehauen, der ihnen zum
Verhängnis wurde.
    Als
die beiden Freunde vom Römischen Feldzug nach England heimkehrten, landete die
Flotte in Sandwich. Es war ein grauer Septembertag: die blauen und
kupferfarbenen Schmetterlinge flatterten über dem Grummet hin und her, die
Rebhühner riefen wie Heimchen, die Brombeeren färbten sich schwarz, und die
Haselnüsse zogen ihre kleinen und noch geschmacklosen Kerne in wolligen Wiegen
auf. Königin Ginevra war am Strand, um sie willkommen zu heißen, und als sie
den König geküßt hatte, wußte Lanzelot sofort, daß sie, trotz allem, durchaus
noch zwischen sie kommen konnte. Er machte eine Bewegung, als schnürte sich ihm
das Eingeweide zusammen, begrüßte die Königin ehrerbietig, legte sich im
nächsten Gasthaus sogleich ins Bett und lag die ganze Nacht wach. Am nächsten
Morgen bat er um Urlaub vom Hof.
    »Aber
Ihr seid doch kaum bei Hofe gewesen«, sagte Arthur. »Weshalb wollt Ihr schon so
schnell wieder fort?«
    »Es
wäre das Beste.«
    »Wäre
das Beste?« fragte der König. »Was wollt Ihr damit sagen: Es wäre das Beste?«
    Lanzelot
ballte die Faust, daß die Knöchel scharf hervorsprangen, und sagte: »Ich möchte
auf eine Queste gehn. Ich möcht’ eine Aventiure suchen.«
    »Aber,
Lanz – «
    »Dafür
ist die Tafelrunde doch gedacht!« rief der Jüngling. »Die Ritter sollen auf
Queste gehn, hab’ ich gedacht, auf die Hohe Suche, um gegen die Gewalt zu
kämpfen. Weshalb also wollt Ihr mich zurückhalten? Darum geht’s doch einzig und
allein, oder?«
    »Nun
kommt«, sagte der König. »Ihr braucht Euch doch nicht so aufzuregen. Natürlich
könnt Ihr gehen, wenn Ihr gehen wollt. Ich hab’ nur gedacht, es wäre schön,
Euch eine Weile bei uns zu haben. Seid doch nicht eingeschnappt, Lanz. Ich weiß
wirklich nicht, was in Euch gefahren ist.«
    »Kommt
bald zurück«, sagte die Königin.
     
     
     
     
    KAPITEL 7
     
     
    Damit begannen seine
berühmten Questen. Sie hatten nicht den Zweck, ihm Ruhm oder Vergnügen zu
verschaffen. Sie waren ein Versuch, von Ginevra loszukommen. Er unternahm diese
Anstrengungen, um seine Ehre zu retten, und nicht, um Ehre zu erringen. Eine
dieser Questen werden wir im einzelnen beschreiben müssen, um zu zeigen, auf
welche Weise er sich abzulenken suchte und was sein Ehrbegriff bewirkte. Dabei
wird man auch einen Eindruck von den Zuständen bekommen, die damals in England
herrschten und die König Arthur nötigten, seine Theorie der Gerechtigkeit
durchzusetzen. Arthur war kein schulmeisterlicher Sittenrichter – nein, in
seinem Lande Gramarye herrschte eine solch rasende Anarchie, daß es einer Idee
wie jener der Tafelrunde bedurfte, um überhaupt seinen Fortbestand zu sichern.
Die wilden Kriegszüge der Leute vom Schlage Lots waren zwar unterbunden worden,
nicht aber das erbarmungslose Treiben der Freiherrn, die auf ihren Gütern wie
Gangster hausten. Es gab Barone, die den Juden die Zähne ausbrachen, um an
deren Geld zu kommen, oder Bischöfe brieten, die ihnen widersprachen. Die
Leibeigenen, die bösen Herren gehörten, wurden über kleinem Feuer langsam
geröstet oder mit geschmolzenem Blei besprenkelt oder gepfählt oder des
Augenlichts beraubt und qualvoll zum Tode befördert. Auch konnte man Hörige
sehen, die auf Händen und Knien einherkrochen, weil ihnen die Sehnen
durchschnitten worden waren. Geringfügige Fehden führten zur Vernichtung der
Armen und Hilflosen – ein Ritter hingegen, der in einem Kampf vielleicht vom
Pferd gezerrt wurde, war derart gut gepanzert, daß nur ein Experte ihm Schaden
zufügen konnte. In der legendären Schlacht von Bouvines, zum Beispiel, wurde
Philipp

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