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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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und Lanzelot war vom inneren Kampf um die Königin wie auch
vom Wetter so mitgenommen, daß er meinte, nicht weiter zu können. Lionel war
ebenfalls müde, so daß sie beschlossen, sich bei einer Hecke unter einen
Apfelbaum zu legen. Sie banden ihre Pferde an verschiedene Äste, und Lanzelot
schlief sogleich ein. Aber das Surren der Fliegen hielt Sir Lionel wach, und
während er dalag, bot sich ihm ein ungewöhnliches Schauspiel.
    Drei
gewappnete Ritter galoppierten um ihr Leben, verfolgt von einem einzelnen
Ritter. Der Boden erbebte unter den Hufen der Pferde – es war höchst sonderbar,
daß Lanzelot nicht aufwachte – , bis der gewaltige Verfolger seine Opfer, eins
nach dem andern, niederritt, aus dem Sattel hob und einzeln verschnürte.
    Lionel
war ein ehrgeiziger Knabe. Er meinte, seinen berühmten Cousin übertreffen zu
können. Lautlos stand er auf, richtete seine Rüstung und ritt los, um den
Sieger herauszufordern. In weniger als einer Minute lag auch er auf der Erde,
gefesselt und bewegungslos, und ehe Lanzelot erwachte, war der ganze spukhafte
Aufzug verschwunden. Der geheimnisvolle Sieger in diesen vier Kämpfen war Sir
Turquine, ein Bruder von Carados, den Lanzelot kürzlich getötet hatte. Er hatte
die Gepflogenheit, seine Gefangenen in sein düsteres Schloß zu schleppen, wo er
ihnen sämtliche Kleider auszog und sie nach Herzenslust verprügelte, nur so zum
Spaß.
    Lanzelot
schlief noch immer, als ein neuer Aufzug des Weges kam. In der Mitte war ein
grünseidener Baldachin, von vier Rittern in prächtiger Gewandung auf vier
Speeren getragen. Unter diesem Baldachin ritten auf weißen Maultieren vier
Königinnen mittleren Alters und boten einen malerischen Anblick. Sie kamen
gerade an dem Apfelbaum vorüber, da brach Lanzelots Streitroß in ein
schepperndes Wiehern aus.
    Queen
Morgan le Fay, die älteste Königin unter den vieren – lauter Hexen – , ließ die
Prozession anhalten und ritt zu Sir Lanzelot hinüber. Der sah gefährlich aus,
wie er da in voller Kriegsrüstung im hohen Grase lag.
    »Das
ist ja Sir Lanzelot!«
    Nichts
macht so schnell die Runde wie eine Skandalgeschichte – insonderheit bei
übernatürlichen Wesen – , daher wußten die vier Königinnen, daß er in Ginevra
verliebt war. Desgleichen war ihnen bekannt, daß man ihn mittlerweile für den
stärksten Ritter der Welt hielt. Aus diesem Grunde waren sie auf Ginevra
eifersüchtig. Und sie waren entzückt von der Gelegenheit, die sich ihnen bot.
Sogleich fingen sie zu streiten an, wem er zu Zauberzwecken überlassen werden
solle.
    »Wir
brauchen uns nicht zu zanken«, sagte Morgan le Fay. »Ich werde ihn mit einem
Zauber belegen, so daß er nicht aufwacht, ehe sechs Stunden vergangen sind.
Wenn wir ihn erst sicher in meinem Schloß haben, kann er selber wählen.«
    So
geschah es. Der schlafende Held wurde von den Reisigen auf seinem Schild ins
Castle Chariot getragen. Das Schloß war nun nicht mehr ein Feenpalast aus
Fressalien, sondern eine gewöhnliche, ganz alltägliche Festung. Hier wurde er,
fest schlafend, in einen kalten, kahlen Raum gebracht. Dort sollte er bleiben,
bis er aus seinem Zauber aufwachen würde.
    Als
Lanzelot erwachte, wußte er nicht, wo er war. Der Raum war dunkel und schien
ganz aus Stein gemacht, wie ein Verlies. Er lag im Finstern und fragte sich,
was nun geschehen werde. Danach dachte er an Königin Ginevra.
    Ein
junges Fräulein kam mit Essen für ihn und erkundigte sich nach seinem Befinden.
    »Wie
geht’s Euch, Sir Lanzelot?«
    »Ich
weiß nicht, schönes Fräulein. Ich weiß nicht, wie ich hergekommen bin, also
weiß ich auch nicht recht, wie es mir geht.«
    »Ihr
braucht keine Angst zu haben«, sagte sie. »Wenn Ihr ein so großer Mann seid,
wie man behauptet, kann ich Euch morgen früh vielleicht helfen.«
    »Dank
Euch. Ob Ihr mir helfen könnt oder nicht – seid mir wohlgesinnt.«
    Und
das schöne Fräulein verschwand.
    Am
nächsten Morgen klapperten Riegel und quietschten rostige Schlösser, und
mehrere Reisige in Kettenpanzern betraten das Verlies. Sie nahmen zu beiden
Seiten der Tür Aufstellung, und hinter ihnen kamen, im Sonntagsstaat, die
Zauber-Königinnen herein. Jede Königin machte einen Knicks vor Sir Lanzelot. Er
erhob sich höflich und verbeugte sich vor jeder Königin. Morgan le Fay stellte
sie vor: die Königinnen von Gore, North-galis, Eastland und den Außen-Inseln.
    »So«,
sagte Morgan le Fay, »wir wissen über Euch Bescheid, vergeßt das nicht. Ihr
seid Sir Lanzelot Dulac,

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