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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Augustus von Frankreich aus dem Sattel gehoben und umzingelt – doch die
arme Infanterie konnte den Herrn im Eisenfrack nicht mal pieksen; bald darauf
wurde er gerettet und kämpfte fürderhin nur noch besser, weil man ihn in Wut
gebracht hatte. Aber die Geschichte von Lanzelots erster Queste zeugt selber
beredt genug von jenem wirren Zeitalter der Gewalt.
    An
der Grenze von Wales lebten zwei Ritter mit Namen Sir Carados und Sir Turquine.
Sie waren keltischen Ursprungs. Diese beiden konservativen Barone hatten sich
Arthur nicht unterworfen, und das Gesetz der Gewalt war für sie die einzig
denkbare Regierungsform. Sie hatten starke Burgen und bösartige Gefolgsleute,
die sich unter ihrer Herrschaft besser austoben konnten, als dies in einer
geordneten Gesellschaft möglich gewesen wäre. Sie trieben’s wie die Adler, das
heißt: sie lebten von den schwächeren Mitgeschöpfen, denen sie nachstellten. Es
ist unfair, sie mit Adlern zu vergleichen, denn viele dieser Vögel sind noble
Wesen, was man jedenfalls von Sir Turquine nicht behaupten kann. Würde er heute
leben, wäre er vielleicht in einer Irrenanstalt gelandet; ganz gewiß aber
hätten ihm seine Freunde dringend geraten, sich einer psychoanalytischen
Behandlung zu unterziehen.
    Eines
Tages, als Sir Lanzelot sich ungefähr einen Monat auf seiner Aventiure befand –
und sich immer weiter von dort entfernte, wo er am liebsten gewesen wäre, so
daß jeder Schritt seines Pferdes ihm zur Qual wurde – , begegnete er einem
gewappneten Ritter, der auf einem gewaltigen Rosse saß. Quer über seinem
Sattelknauf lag, in Banden, ein anderer Ritter. Der gefesselte Ritter war
ohnmächtig. Er war blutbeschmiert und verdreckt, und sein Kopf, der an der
Seite herabhing, hatte rote Haare. Der zu Pferde sitzende Ritter, der ihn
überwältigt hatte, war ein Hüne von Gestalt. Lanzelot erkannte ihn an seinem
Wappen: es war Sir Carados.
    »Wer
ist Euer Gefangener?«
    Der
riesige Ritter hob den Schild des Gefangenen, der hinter ihm hing. Er zeigte
auf goldnem Grund einen roten Sparren zwischen drei grünen Disteln.
    »Was
macht Ihr mit Sir Gawaine?«
    »Kümmert
Euch um Eure eigenen Angelegenheiten«, sagte Sir Carados.
    Gawaine
mußte zu sich gekommen sein, als der Gaul stehenblieb, denn seine Stimme sagte,
von unten herauf: »Mann, seid Ihr das, Sir Lanzelot?«
    »Welche
Freude, Gawaine. Wie steht’s mit Euch?«
    »Nicht
zum besten«, sagte Sir Gawaine, »es sei denn, Ihr hülfet mir. Wenn Ihr mich
nicht rettet, wüßt’ ich mir keinen Ritter, der solches vermöchte.«
    Er
sprach formell in der Hochsprache des Rittertums; in jenen Tagen gab es nämlich
zwei Sprechweisen, die sich etwa so unterschieden wie das normannische
Französisch und das saxische Englisch.
    Lanzelot
sah Sir Carados an und sagte in der gewöhnlichen Umgangssprache: »Wollt Ihr den
Mann niederlegen und statt dessen mit mir kämpfen?«
    »Ihr
seid ein Narr«, sagte Sir Carados. »Euch wird’s bloß genauso ergehn.«
    Alsdann
legten sie Gawaine auf den Boden – gebunden, so daß er nicht entkommen konnte –
und machten sich zum Kampf bereit. Sir Carados hatte einen Schildknappen bei
sich, der ihm seinen Speer reichte. Lanzelot hingegen hatte darauf bestanden,
daß Onkel Dap daheim bleibe. Er mußte sich allein behelfen.
    Der
Kampf war anders als der, den er mit Arthur ausgetragen hatte. Die Kräfte
beider schienen diesmal fast gleich, und in der Tüte, mit der es begann, wurde
keiner aus dem Sattel gehoben. Ihre Eschenholzspeere zersplitterten, aber beide
blieben im Sattel, und ihre Gäule hielten dem Anprall stand. In dem nun
folgenden Schwertkampf erwies sich Lanzelot als der Bessere. Nach etwas über
einer Stunde heftigen Schlagwechsels gelang es ihm, Sir Carados einen solchen
Hieb auf den Helm zu versetzen, daß dessen Hirnschale barst – und da, während
der Tote noch im Sattel schwankte, packte er ihn beim Kragen, zog ihn unter die
Hufe seines Pferdes, sprang im gleichen Augenblick ab und trennte ihm den Kopf
vom Rumpf. Er befreite Sir Gawaine, der ihm aus vollem Herzen dankte, und ritt
weiter durch die wilden Wälder Englands, ohne an Sir Carados einen Gedanken zu
verschwenden. Er begegnete einem seiner Cousins, dem jungen Sir Lionel, und
gemeinsam begaben sie sich auf die Suche nach Abenteuern, um Unrecht
wiedergutmachen zu können. Doch war es nicht klug von ihnen, Sir Carados zu
vergessen.
    Eines
Tages, als sie schon geraume Zeit geritten waren, kamen sie zu einem Wald. Der
Mittag war schwül,

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