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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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alle
Himmelsrichtungen entsandt, um Alliierte zu gewinnen. Nicht weniger als
sechzehn Könige aus den verschiedensten, entlegensten Ländern marschierten mit
ihm von Rom nach Oberdeutschland, um den Engländern eine Schlacht zu liefern.
    Während
jener Wochen, da Lanzelot sich in Ginevra vernarrte, wurde es Zeit, daß Arthur
den Kanal überquerte, um seinem Feind in Frankreich entgegenzutreten, und er
beschloß, den Jüngling in diesen Krieg mitzunehmen. Natürlich war Lanzelot noch
nicht der oberste Ritter der Tafelrunde, sonst hätte man ihn auf jeden Fall
mitgenommen. Bisher hatte er nur eine Tjoste ausgetragen, mit Arthur, und der
anerkannte Hauptmann der Ritter war Gawaine.
    Lanzelot
ärgerte sich, daß man ihn von Ginevra trennte, weil er darin einen Mangel an
Vertrauen sah. Außerdem wußte er, daß man Sir Tristan in einer ähnlichen Lage
bei der Gemahlin König Markes von Cornwall zurückgelassen hatte. Er sah nicht
ein, weshalb es ihm da nicht auch gestattet sein sollte, bei Ginevra zu
bleiben.
    Es
besteht keine Veranlassung, genauer auf den Römischen Feldzug einzugehen,
obschon er mehrere Jahre währte. Es war ein Krieg wie andere Kriege auch: Auf
beiden Seiten wurde geschubst und geschrien, gewaltige Streiche wurden
ausgeteilt, viele Männer gefällt, und jeden Tag gab es Glanzleistungen an
Tapferkeit, Kühnheit und Heldenmut. Es war Bedegraine in größerem Maßstab –
Arthur weigerte sich auch diesmal, das Ganze als sportliches oder kommerzielles
Unternehmen aufzufassen – , doch mangelte es dabei nicht an gewissen
charakteristischen Besonderheiten. Der rotschopfige Gawaine verlor die
Beherrschung, als er zu Verhandlungen ausgeschickt wurde, und tötete einen
Mann. Sir Lanzelot lieferte einen prächtigen Kampf, in dem seine Mannen drei zu
eins unterlegen waren. Er erschlug den König Lyly und drei große Lords mit
Namen Alakuke, Herawd und Heringdale. Im Verlauf der Kampagne wurden auch drei
berüchtigte Riesen zur Strecke gebracht – zwei von Arthur persönlich. In der
letzten Auseinandersetzung schließlich versetzte Arthur dem Kaiser Lucius einen
solchen Schlag aufs Haupt, daß Excalibur ihm den Schädel spaltete, bis hinab
zur Brust. Unter den Getöteten fand man den Sultan von Syrien und den König von
Ägypten und den König von Äthiopien – einen Vorfahren von Haile Selassie –
sowie siebzehn andere Könige aus diversen Gegenden und sechzig Senatoren von
Rom. Arthur packte ihre Leichen in prachtvolle Särge – nicht zum Hohn – und
ließ sie dem Oberbürgermeister von Rom überbringen: anstelle des geforderten
Tributs. Dies bewog den Oberbürgermeister und fast ganz Europa, ihn als
obersten Lehnsherrn anzuerkennen. Die Konvention der feudalen Kriegführung war
endgültig erledigt, auf dem Kontinent genauso wie in England.
    Im
Lauf dieses Kriegszuges wurde Lanzelot seinem Herrn lieb und wert, und als sie
heimkehrten, schenkte Arthur der Prophezeiung Merlins keinerlei Glauben mehr.
Er hatte sie völlig verdrängt. Lanzelot war anerkanntermaßen der großartigste
Kämpfer im Heer. Beide hatten beschlossen, daß Ginevra sie nicht entzweien dürfe,
und so waren die ersten paar Jahre ohne Unheil verstrichen.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    KAPITEL 6
     
     
    Was für ein Bild nun
macht man sich von Sir Lanzelot? Vielleicht hält man ihn für einen häßlichen
Jüngling, der sich bei Kampfspielen hervortat. Aber er war mehr. Er war ein
Ritter des Mittelalters, ein Mann mit ausgeprägtem Ehrgefühl.
    In
ländlichen Gegenden kann es einem auch heute noch passieren, daß man einen Satz
zu hören bekommt, der ein gut Teil dessen ausdrückt, was er im Sinn haben
mochte. Ein Bauer in Irland etwa sagt, wenn er jemanden rühmen will: »Der
So-und-so has a Word. Wenn er was versprochen hat, dann hält er’s auch.«
Also: Ein Mann, ein Wort.
    Lanzelot
versuchte, Wort zu halten. Das erachtete er – wie manche unwissende Leute auch
heute noch – als den wertvollsten Besitz: ein Wort, das gilt.
    Das
Seltsame jedoch war, daß der Firstbalken seiner Treue gegenüber sich selbst und
anderen eine Wesensart deckte, die voller Widerspruch und keineswegs heilig
war. Sein Wort war ihm wichtig und wertvoll – nicht nur, weil er gut war,
sondern auch, weil er schlecht war. Schlechte Menschen brauchen Prinzipien, um
in Schranken gehalten zu werden. Einerseits machte es ihm Vergnügen, anderen
Menschen wehzutun. Eben seine Grausamkeit war jedoch merkwürdigerweise der
Grund dafür, daß der arme Kerl

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