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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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üble
Lage. Die Menschen sind nun einmal zu den niedrigsten und gemeinsten Dingen
fähig, wenn’s um ihre sogenannte Ehre geht. Ich wollte, ich hätte das alles nie
erfunden: Ehre oder Sportsgeist oder Zivilisation.«
    »Was
redet Ihr da!« sagte Lanzelot. »Macht Euch keine Sorgen. Die Orkneys tun mir
schon nichts, auch wenn sie mir nach dem Leben trachten. Und daß Euer Vorhaben
schiefläuft – das ist doch Unsinn. Die Tafelrunde ist das Beste, was je auf die
Beine gestellt worden ist.«
    Arthur,
der seinen Kopf noch immer in die Hände gestützt hielt, blickte auf: Er sah,
daß sein Freund und seine Frau sich vernarrt in die weit aufgerissenen Augen
starrten. Schnell wandte er sich seinem Teller zu.
     
     
     
     
     
    KAPITEL 10
     
     
    Onkel Dap drehte den
Helm in seinen Händen und sagte: »Dein Überwurf ist zerschnitten und zerrissen.
Wir müssen dir einen neuen besorgen. Es ist zwar ehrenhaft, Schnitte im Mantel
zu haben, doch unehrenhaft, ihn so zu lassen, wenn man die Möglichkeit hat, ihn
auszuwechseln. Solches wäre Prahlerei.«
    Sie
befanden sich in einer kleinen Kammer mit einem Nordfenster. Hier war es kalt
und grau, und das blaue Licht lag wie gefrorenes Öl auf dem Stahl.
    »Ja.«
    »Wie
hat sich Joyeux bewährt? Ist’s noch scharf? Liegt’s gut in der Hand?«
    Joyeux
war von Galand geschmiedet worden, dem besten Schwertschmied des Mittelalters.
    »Ja.«
    »Ja!
Ja!« schrie Onkel Dap. »Kannst du denn nichts andres sagen als immer bloß Ja?
Beim Tod meiner Seele, Lanzelot: Man fragt sich wahrhaftig, ob du noch recht
bei Troste bist. Was ist denn neuerdings in dich gefahren?«
    Lanzelot
glättete den Federbusch, der als Schmuck und Erkennungszeichen zu dem Helm
gehörte, den Onkel Dap in Händen hielt. Die Zier war abnehmbar. Das Kino und
komische Anzeigen in den Zeitungen scheinen heute alle Welt davon überzeugt zu
haben, daß Ritter in voller Rüstung durchwegs Straußenfedern trugen, die wie
Büschel von Pampasgras wippten. Dies ist nicht der Fall. Kays Panasch etwa
hatte die Form eines steifen, flachen Fächers, dessen Kanten nach vorn und
hinten zeigten. Er war kunstvoll aus den Augen von Pfauenfedern gefertigt, und
es sah aus, als habe man ihm einfach einen Pfauenfächer aufs Haupt gepflanzt.
Das war kein Federbusch, und er nickte nicht. Eher ähnelte er einer protzigen
Fischflosse. Lanzelot, dem alles Auffallende widerstrebte, trug ein paar mit
Silberfäden zusammengebundene Reiherfedern, die gut zum Silber auf seinem
Schild paßten. Er hatte sie gestreichelt. Jetzt warf er sie unwirsch in eine
Ecke und stand auf. Mit abgehackten Schritten ging er in dem schmalen Raum hin
und her.
    »Onkel
Dap«, sagte er, »erinnert Ihr Euch noch, daß ich Euch gebeten habe, etwas
Bestimmtes nicht zu erwähnen?«
    »Doch,
ja.«
    »Ist
Ginevra in mich verliebt?«
    »Das
solltest du sie selber fragen«, erwiderte sein Onkel mit französischer Logik.
    »Was
soll ich tun?« fragte er schreiend. »Was muß ich tun?«
    Ist
es schon schwierig zu sagen, wie Ginevra zwei Männer gleichzeitig lieben
konnte, so ist es geradezu unmöglich, Lanzelots Verhalten zu erklären.
Zumindest wäre es heutzutage unmöglich, da jedermann so frei von Aberglaube und
Vorurteilen ist, daß wir alle nur noch zu tun brauchen, was uns gerade beliebt.
Weshalb ging Lanzelot nicht mit Ginevra ins Bett? Weshalb brannte er nicht mit
der Frau seines Helden durch, wie es heute jeder aufgeklärte Mann täte?
    Einer
der Gründe für sein Dilemma war die Tatsache, daß er Christ war. Die moderne
Welt vergißt nur allzu leicht, daß in jener fernen Vergangenheit etliche
Menschen Christen waren, und zu Lanzelots Zeiten gab es keine Protestanten – mit
Ausnahme von John Scotus Erigena. Seine Kirche, in der er erzogen worden war –
und es ist schwierig, sich der eigenen Erziehung zu entziehen – , verbot ihm
klipp und klar, die Frau seines besten Freundes zu verführen. Ein zweites
Hindernis, das ihm verwehrte, schlicht nach Lust und Laune zu handeln, war eben
die Vorstellung von Rittertum oder Zivilisation, die Arthur eingeführt und
seinem jungen Geist aufgeprägt hatte. Ein übler Baron, der an den ›Starken Arm‹
glaubte, wäre vielleicht mit Ginevra abgehauen, allen Konzilien und
Kirchenlehrern zum Trotz; denn seines Nächsten Weib an sich zu reißen, war ja
eine Form der Anwendung von Fort Mayne. Der stärkere Stier gewann –
darum ging es. Lanzelot jedoch hatte seine Jugend damit zugebracht, die
ritterlichen Künste zu erlernen und

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