Der König auf Camelot
Worum geht’s?«
Die
Antwort kam im Chor, feierlich und ohne Holpern.
»Ach,
edler Ritter«, sagten sie. »Seht Ihr den Turm dort auf dem Hügel? Darinnen ist
eine schmerzensreiche Dame gefangen und wird seit vielen Wintern durch Zauber
in kochendem Wasser gehalten. Niemand vermag es, sie zu erlösen, außer dem
besten Ritter der Welt. Sir Gawaine war hier, vergangene Woche, doch ist’s ihm
nicht gelungen.«
»Wenn
es Sir Gawaine nicht gelungen ist«, sagte er, »dann wird es mir schon gar nicht
gelingen.«
Diese
Art des Wettstreits und Wettbewerbs behagte ihm nicht. War man der beste Ritter
der Welt, wurde man stets auf die Probe gestellt, und so drohte unausweichlich
jener Tag, an dem man sich des Titels nicht mehr würdig erwies.
»Ich
werde besser weiterreiten«, sagte er und zuckte mit den Zügeln.
»Nein,
nein«, sagten die Leute mit tiefem Ernst. »Ihr seid Sir Lanzelot – wir wissen’s
genau. Ihr werdet unsre Dame aus dem kochenden Wasser erlösen.«
»Ich
muß weiter.«
»Sie
leidet Schmerzen.«
Lanzelot
beugte sich über den Widerrist seines Pferdes, hob sein linkes Bein über die
Kruppe und stand auf dem Boden.
»Sagt
mir, was ich tun muß«, sagte er.
Die
Bevölkerung gruppierte sich wie zu einer Prozession, und der Bürgermeister nahm
ihn bei der Hand. Schweigend stiegen sie den Hügel hinan zum Turm. Keiner
sprach, außer dem Bürgermeister, der ihm unterwegs die Lage erklärte.
»Unsere
Gutsherrin«, sagte der Bürgermeister, »war das allerschönste Mädchen im ganzen
Land. Da sind Königin Morgan le Fay und die Königin von Northgalis eifersüchtig
auf sie geworden und haben sie aus Rachsucht mit diesem Zauberbann belegt. Es
tut entsetzlich weh, und sie kocht schon seit fünf Jahren. Nur der beste Ritter
der Welt kann sie herausholen.«
Als
sie zum Turmportal kamen, geschah wieder etwas Merkwürdiges. Das Tor war auf
die altertümliche Art verrammelt und verriegelt. Das Mauerwerk zu beiden Seiten
hatte tiefe Schlitze, in denen Schiebebalken lagerten, schwer genug, um auch
einem Sturmbock zu widerstehen. Diese Balken nun zogen sich von selbst in die
Mauern zurück, und die eisernen Schlösser drinnen drehten sich knirschend und
quietschend. Lautlos ging die Tür auf.
»Geht
hinein«, sagte der Bürgermeister, und das Volk blieb still draußen stehen und
wartete ab, was geschehen würde.
Im
Erdgeschoß des Turmes war der Ofen, der das Zauberwasser am Kochen hielt.
Lanzelot ging weiter. Im ersten Stock war ein Raum voller Dampf, so daß er
nichts sehen konnte. In diesen Raum ging er hinein und hielt, nach Art der
Blinden, die Hände vor sich ausgestreckt, bis er ein Quieken hörte. Der Luftzug
von der Tür, die so lange nicht geöffnet worden war, riß eine Schneise in die
Dampfschwaden und zeigte ihm die Dame, die da gequiekt hatte. Sie saß scheu im
Bad und sah ihn an. Sie war ein zauberhaftes Mädchen und – wie Malory schrieb –
as naked as a needle.
»Ja
so!« sagte er.
Das
Mädchen errötete, soweit man erröten kann, wenn man gekocht wird, und sagte mit
kleiner Stimme: »Gebt mir bitte Eure Hand.« Sie wußte, wie man den Zauber lösen
mußte.
Lanzelot
gab ihr die Hand, und sie stand auf und stieg aus dem Bad, und draußen begannen
alle zu jubeln, als wüßten sie genau, was drinnen vor sich ging. Sie hatten ein
Gewand mitgebracht, dazu die angemessene Unterkleidung, und die Frauen des
Dorfes bildeten unterm Torbogen einen Kreis und kleideten das rosarote Mädchen
an.
»Oh,
wie hübsch, wieder angezogen zu sein!« sagte sie.
»Mein
Püppchen!« rief eine fette alte Frau, die offenbar ihr Kindermädchen gewesen
war, und weinte Freudentränen.
»Sir
Lanzelot hat’s geschafft«, schrien die Dörfler. »Ein dreifach Hoch auf Sir
Lanzelot!«
Als
der Jubel verebbt war, kam das gekochte Mädchen zu ihm und reichte ihm die
Hand.
»Dank
Euch«, sagte sie. »Sollten wir nicht jetzt zur Kirche gehn, um Gott sowohl als
Euch zu danken?«
»Das
müssen wir wohl.«
So
gingen sie in die saubere kleine Kapelle des Dorfes und dankten Gott für seine
Güte. Sie knieten zwischen den freskengeschmückten Wänden, auf denen wichtig
dreinschauende Heilige mit blauen Heiligenscheinen auf Zehenspitzen standen, um
nicht verkürzt zu erscheinen. Und die fröhlichen Farben der Buntglasfenster
fielen auf ihre Häupter. Das Blau kam vom Kobalt, das Purpur vom Mangan, das
Gelb vom Kupfer; dazu gab es ein Rot und weiterhin ein Grün, das gleichfalls
vom Kupfer stammte. Das ganze Innere der
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