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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Jüngere geschwind. »Wie kommt Eure berühmte
Zivilisierung voran? Macht für das Recht? Ihr dürft nicht vergessen: Ich war
ein Jahr lang fort.«
    Der
König stützte den Kopf in die Hände und starrte mißmutig auf den Tisch zwischen
seinen Ellbogen. Er war ein gütiger, gewissenhafter, friedliebender Mann, dem
in seiner Jugend ein genialer Hauslehrer zuteil geworden war. Die beiden hatten
gemeinsam eine Theorie ausgearbeitet: Daß es schlecht sei, Menschen zu töten
oder als Tyrann über sie zu herrschen. Um mit derartigem ein für allemal Schluß
zu machen, hatten sie sich die Sache mit der Tafel ausgedacht – eine vage Idee,
so vage wie ›Demokratie‹ oder ›Fairness‹ oder ›Moral‹ – , und nun steckte er
selbst, weil er der Welt Frieden geben wollte, bis über beide Ellbogen in Blut.
Solange er sich wohlauf fühlte, bekümmerte ihn dies nicht allzu sehr, da er
wußte, daß das Dilemma unausweichlich war – in schwachen Augenblicken jedoch
plagten ihn Scham und Unentschlossenheit. Er war einer der ersten Männer im
Norden, die das zivilisierte Leben erfanden – oder zumindest den Wunsch hegten,
anders zu handeln, als es Attila, der Hunnenkönig, getan hatte – , und der
Kampf gegen das Chaos schien bisweilen aussichtslos. Oft wollte ihm scheinen,
als sei es schade um all seine toten Soldaten – als wäre es besser, wenn sie
lebten, und sei es unter Tyrannei und Wahnsinn, statt unwiderruflich tot zu
sein.
    »Die
Orkneys machen mir Kummer«, sagte er. »Auch mit der Zivilisierung ist’s nicht
weit her – Euern Anteil hier ausgenommen. Ehe Ihr kamt, war mir, als sei ich
der Kaiser von nichts. Jetzt fühle ich mich als den Kaiser von drei
Grafschaften.«
    »Was
ist mit den Orkneys los?«
    »Ach,
Gott, müssen wir darüber reden, wo wir grad so glücklich sind, daß Ihr
zurückgekehrt seid? Nun ja, müssen wir wohl.«
    »Es
ist wegen Morgause«, sagte die Königin.
    »Teils.
Seit Lot tot ist, hat Morgause jede Menge Liebesaffären. Wäre doch König
Pellinore bloß nicht das Mißgeschick passiert, ihn zu töten! Es wirkt sich auf
ihre Kinder sehr ungünstig aus.«
    »Wie
meint Ihr das?«
    Der
König kratzte an der Tischplatte und sagte: »Ich wollte, Ihr hättet Gawaine
nicht befreit, damals, da Ihr als Kay verkleidet wart. Fast wollte ich, es wäre
Euch nicht so bewundernswert gelungen, ihn und seine Brüder aus den Händen von
Carados und Turquine zu retten.«
    »Wieso.«
    »Diese
Tafelrunde«, sagte der Ältere langsam, »war eine gute Sache, als wir sie
einführten. Es war nötig, den Streitern eine Möglichkeit der Selbstdarstellung
zu bieten, die keinen Schaden anrichten würde. Ich weiß nicht, wie wir es
anders hätten machen können, als durch Ankurbeln einer Mode. Um sie zum
Mitmachen zu bewegen, mußten wir eine Art Bande bilden, wie das die Schulkinder
tun. Wer dazugehört, muß einen heilig-unheimlichen Eid schwören, einzig und allein
für unsere Ideen zu kämpfen. Man könnte auch sagen: für die Zivilisation. Was
ich unter Zivilisation verstand, als ich das einführte, war bloß dies: daß die
Menschen keine Schwachheit ausnutzen sollten – keine Jungfrauen schänden und
keine Witwen berauben und keinen Mann töten, der hilflos ist. Die Menschen
sollten gesittet sein. Und herausgekommen dabei ist eine Art von Sport. Merlin
hat immer gesagt, Sport sei der Fluch der Welt, und so ist es tatsächlich. Mein
Vorhaben läuft schief. All diese Ritter machen jetzt einen Götzendienst daraus.
Sie verzerren das Ganze zu einem Wettbewerb. Merlin hat das ›Spielwut‹ genannt.
Jeder klatscht und quatscht und tratscht, wer wen aus dem Sattel gehoben hat
und auf wessen Konto die meisten geretteten Jungfrauen kommen und wer der beste
Ritter der Tafelrunde ist. Ich habe die Tafel rund gemacht, um genau dies zu
verhindern; aber es hat nichts geholfen. Die Orkneys treiben es am aberwitzigsten.
Ich nehme an, das Gefühl der Unsicherheit gegenüber ihrer Mutter zwingt sie
dazu, sich eine Spitzenposition in der Liga zu sichern. Sie müssen sich
hervortun, um mit ihr ins reine zu kommen. Deshalb wollte ich, Ihr hättet
Gawaine nicht übertrumpft. Im Grunde ist er ein ganz anständiger Kerl, aber er
wird’s nicht verwinden. Ihr habt ihm den Punktestand im Lanzenstechen versaut –
der gehört zum Image, und das ist für meine Ritter mittlerweile wichtiger als
das Seelenheil. Wenn Ihr nicht aufpaßt, habt Ihr die Orkneys am Hals. Sie
werden Euch ebenso nach dem Leben trachten wie dem armen Pellinore. Eine

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