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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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hatte,
sondern die richtige Jenny, in einer anderen Haltung – mit jedem Wimpernschlag
und jeder Pore ihrer Haut, mit dem Klang ihrer Stimme und jeder Nuance ihres
Lächelns.
    Er
blickte nicht zurück, als er von Bliant Castle fortritt. Und Elaine, die auf
dem Turm des Vorwerks stand, winkte nicht. Sie sah zu, wie er davonzog, sah nur
zu, konzentriert wie ein Schiffbrüchiger, der sich bemüht, so viel Frischwasser
wie möglich in das kleine Rettungsboot zu schaffen. Sie hatte nur noch ein paar
Sekunden, um sich einen Vorrat an Lanzelot zuzulegen, der über Jahre hinweg
ausreichen mußte. Es blieb ihr nur dieser Vorrat und ihr Sohn und eine Menge
Gold. Er hatte ihr sein ganzes Geld überlassen, so daß sie jährlich tausend
Pfund für den Lebensunterhalt verwenden konnte – damals eine gewaltige Summe.
     
     
     
     
     
    KAPITEL 25
     
     
    Fünfzehn Jahre nach
der Trennung von Elaine war Lanzelot noch immer am Hofe. Die Beziehungen des
Königs zu Ginevra und ihrem Liebhaber hatten sich kaum verändert. Der große
Unterschied zu früher aber war, daß sie nun alle älter waren. Lanzelots Haar,
das sich schon dachsgrau verfärbt hatte, als der Sechsundzwanzigjährige von
seiner Wahnsinnstour zurückkehrte, war jetzt schlohweiß. Auch Arthurs Mähne war
vorzeitig silbern geworden – doch beider Männer Lippen leuchteten rot aus dem
flaumweichen Bartnest. Ginevra allein hatte den rabenschwarzen Glanz auf ihrem
Haupt zu wahren vermocht. Noch jetzt, mit vierzig, war sie eine blendende
Erscheinung.
    Ein
weiterer Unterschied bestand darin, daß eine neue Generation an den Hof
gekommen war. Im Herzen hegten die Hauptgestalten der Tafelrunde noch immer
dieselben stürmischen Gefühle wie eh und je – doch sie waren jetzt nicht mehr
Menschen, sondern Monumente. Sie wurden von jüngeren Männern umgeben, für die
Arthur nicht mehr der Kreuzfahrer künftiger Tage war, sondern der anerkannte
Eroberer von gestern. Lanzelot war in ihren Augen der Held von hundert Siegen,
und Ginevra die romantische Herrin einer Nation. Wenn Arthur in den Wäldern
jagte, war das für diese jungen Leute, als sähen sie die personifizierte Idee
des Königtums. Sie sahen nicht einen einzelnen Menschen, sondern ganz England.
Wenn Lanzelot vorüberritt und mit der Königin über einen Scherz lachte,
wunderte sich das gemeine Volk, daß er überhaupt lachen konnte. »Seht mal«,
sagten die Leute, »der lacht ja, als war’ er ein Gemeiner wie wir.
    Wie
herablassend, wie demokratisch von Sir Lanzelot, daß er lacht, als war’ er ein
gewöhnlich Sterblicher! Vielleicht ißt und trinkt er auch und schläft gar des
Nachts!« Im Herzen aber war die neue Generation fest davon überzeugt, daß der
große Dulac nichts dergleichen tat.
    Ja,
in einundzwanzig Jahren war eine Menge Wasser unter den Brücken von Camelot
hindurchgeflossen. Es waren die Jahre des Bauens gewesen. Als sie begannen,
hatten sich perriéres und Steinschleudermaschinen von einer Belagerung
zur anderen über die zerfurchten Landstraßen gewälzt, um Zerstörung über
Burgmauern zu bringen; bewegliche Holztürme holperten auf Rädern gegen die
Bergfriede der Abtrünnigen, so daß die Bogenschützen von oben herab Tod und
Verderben in die Bollwerke der Verräter schießen konnten; Kompanien von
Pionieren marschierten, vom sommerlichen Staub umwölkt, Hacken und Schaufeln
auf den Schultern, um die Wehr-Erker der Rebellen zu unterminieren, so daß die
mächtigen Steingefüge in sich zusammensackten. Wenn es Arthur nicht gelungen
war, eine Feste in direktem Angriff einzunehmen, hatte er Tunnels unter
bestimmte Teile der Mauer graben lassen. Diese Gänge waren mit Holzbalken
abgestützt, die zur rechten Zeit abgebrannt wurden. Brachen die Stützen, so
zerbarsten die schuttgefüllten Ringmauern und sanken in die Tiefe.
    Die
frühen Jahre waren Zeiten des Kampfes gewesen, in denen jene, die darauf
bestanden, vom Schwert zu leben, durch das Schwert umkamen. Es waren Jahre,
erhellt von Brandschein, von lodernden Riesenflammen, in denen ganze
Turmbesatzungen verschmorten; denn der große Nachteil eines Wehrturmes war der,
daß er, einmal angezündet, einen vorzüglichen Kamin abgab – Jahre, widerhallend
vom Dröhnen der Streitäxte gegen axtsichere Türen, deren Konstruktionsprinzip
war, daß auf die erste horizontale Bretterlage eine zweite, vertikale genagelt
wurde, das Holz also nicht mehr der Maserung nach gespalten werden konnte –
Jahre, durchpoltert vom tollpatschigen Torkeln

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