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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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normannischer Riesen, denen man
am besten zunächst mal die Beine abschlug, um ordentlich an ihre Köpfe
heranzukommen – Jahre, durchzuckt von Schwertblitzen, die auf Helme und
Ellbogenkappen niedersausten, von einem Prasseln und Funkeln, dem in extremen
Fällen ein wahrer Funkenregen folgte, so daß die kämpfenden Ritter wahrhaft
weißglühend wirkten.
    Wo
immer man in den ersten Jahren auch ging – stets fiel der Blick auf
marschierende Söldner, die in den Marschen raubten und plünderten; oder auf
einen Ritter des neuen Ordens, der mit einem konservativen Baron Hiebe
austauschte, weil er ihn davon abhalten wollte, Leibeigene umzubringen; oder
auf eine goldhaarige Maid, die soeben mit Hilfe lederner Strickleitern aus
irgendeinem luftigen Gefängnis befreit wurde; oder auf Sir Bruce Saunce Pité,
welcher, verfolgt von Sir Lanzelot, in gestrecktem Galopp einhersprengte; oder
auf ein paar Feldschere, die in den Wunden eines unglücklichen Kämpfers wühlten
und ihn Zwiebeln und Knoblauch essen ließen, damit sie, wenn sie an der Wunde
rochen, feststellen könnten, ob Eingeweide verletzt waren oder nicht. Hatten
sie die Wunden untersucht, verbanden sie diese mit der öligen Wolle von
Schafeutern, die einen natürlichen Lanolinverband abgab. Hier saß Sir Gawaine
auf der Brust seines Gegners und erledigte ihn, indem er ihm den langen,
scharfen poignard durchs Visier stieß, einen Dolch, der ›Gnade Gottes‹
geheißen wurde. Dort waren einige Ritter, die im Verlauf eines Kampfes unter
ihren Helmen erstickt waren: ein Mißgeschick, das sich in jener Zeit des
heftigen Gerangeis und der kleinen Luftschlitze oft ereignete. Auf der einen
Seite sah man einen geräumigen Galgen, errichtet von irgendeinem altmodischen
Provinzpotentaten, um König Arthurs Ritter daran aufzuknüpfen, samt den
gemeinen Saxen, die ihnen vertrauten – einen Galgen, fast ebenso prächtig wie
der in Montfaucon, der sechzig Leiber zu tragen vermochte: wie fahle Fuchsien
hingen sie zwischen seinen sechzehn steinernen Säulen herab. Die einfacheren
Galgen hatten Sprossen, ähnlich den Griffen an Telephonmasten, so daß die
Scharfrichter hinauf und herunter klettern konnten. Auf der anderen Seite war
vielleicht ein Herrengut, von Gesträuch umwuchert, in dem so viele Fußangeln
ausgelegt waren, daß sich keiner in die Nähe traute. Schaute man geradeaus,
konnte man vielleicht einen albernen Rittersmann zappeln sehen, der in eine
Bockfalle geraten war und im selben Moment, da die Sperrvorrichtung sich löste,
am Ende eines starken, jäh zurückschnellenden Astes in die Luft geschleudert
wurde, wo er nun hilflos zwischen Himmel und Erde schlenkerte. Blickte man aber
hinter sich, so war da möglicherweise eine hitzige Tjoste im Gange, oder ein
Buhurt, wobei alle Herolde den angreifenden Reitern ihr Laissez les aller! zuriefen,
was genau dem Ruf They’re off! entspricht, den man noch heute beim Grand
National hören kann, wenn das Feld abgegangen ist.
    Man
hatte erwartet, daß die Welt im Jahre Eintausend untergehen werde, und als die
Sache sich hinauszögerte, als eine neue Galgenfrist eingeräumt schien, brach
eine Welle der Gesetzlosigkeit und Brutalität über Europa herein. So war die
Doktrin der Macht entstanden, der Erzfeind der Tafelrunde. Die grimmigen Lords
vom ›Starken Arm‹ machten die Wälder unsicher – natürlich gab es Ausnahmen, wie
den guten Sir Ector vom Forest Sauvage – , so daß John of Salisbury sich
schließlich gezwungen sah, seinen Leuten den Rat zu geben: »Wenn einer dieser
großen und gnadenlosen Jagdleute an eurer Behausung vorüberkommt, so eilet,
alles an Erfrischungen herbeizuholen, was ihr im Hause habt oder leicht kaufen
oder von eurem Nachbarn borgen könnt: auf daß ihr nicht dem Ruin verfallet oder
gar des Verrats angeklagt werdet.« Kinder, an den Schenkelsehnen aufgehängt,
konnte man an Bäumen baumeln sehen, so weiß Duruy zu berichten. Und es war
nichts Ungewöhnliches, wenn man einen Reisigen erblickte, der wie ein Hummer
pfiff und aussah wie Haferbrei, da man ihm im Verlaufe einer Belagerung einen
Eimer kochender Kleie über die Rüstung gegossen hatte. Andere, noch
dramatischere Spektakel werden von Chaucer erwähnt: Der Lächler mit dem Messer
im Gewände, die Buhlerin im Gebüsch mit durchschnittener Kehle, oder die
erkalteten Toten mit aufwärts gähnendem Schlund. Überall Blut auf Stahl, und
Rauch am Himmel, und ungezügelte Gewalt – und in der allgemeinen Verwirrung der
Zeit hatte Gawaine es

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