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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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zu unterbrechen. Sie sprachen über sie hinweg und
lachten, und Elaine lachte gezwungenermaßen mit. Jeden Abend bei
Sonnenuntergang ging Lanzelot hinauf auf seinen Turm. Als sie ihn das erste Mal
dort gefunden hatte, war sie auf Zehenspitzen davongeschlichen, und er wußte
nicht, daß sein heimliches Rendezvous entdeckt war.
    »Lanzelot«,
sagte sie eines Morgens, »jenseits des Burggrabens wartet ein Mann mit Roß und
Rüstung.«
    »Ein
Ritter?«
    »Nein.
Er sieht eher aus wie ein Schildknappe.«
    »Möcht’
bloß wissen, wer’s diesmal ist. Sagt dem Pförtner, er soll ihn übersetzen.«
    »Der
Pförtner sagt, der Mann will nicht herüberkommen. Er sagt, er will drüben auf
Sir Lanzelot warten.«
    »Ich
werde mal hingehn und nachsehn.«
    Elaine
hielt ihn zurück, als er zum Kahn hinunterging.
    »Lanzelot«,
sagte sie, »was soll ich mit Galahad tun, falls Ihr fortgeht?«
    »Fortgehn?
Wer sagt, daß ich fortgehe?«
    »Niemand
sagt es, aber ich möcht’s gern wissen.«
    »Ich
weiß nicht, wovon Ihr redet.«
    »Ich
möchte wissen, wie Galahad erzogen werden soll.«
    »Na
ja, ich denke: wie üblich. Ich hoffe, daß er lernt, ein guter Ritter zu werden.
Aber die ganze Frage ist rhetorisch.«
    »Das
wollte ich wissen.«
    Sie
hielt ihn jedoch aufs neue zurück.
    »Lanzelot,
könnt Ihr mir noch eine Frage beantworten? Wenn Ihr fortgehen solltet, wenn Ihr
mich verlassen müßtet – würdet Ihr zurückkommen?«
    »Ich
hab’ Euch doch gesagt, daß ich nicht fortgehe.«
    Sie
probierte die Bedeutung ihrer Worte aus, während sie formuliert wurden, ähnlich
einem Menschen, der langsamen Schrittes übers Moor geht und im Gehen den Weg
abtastet.
    »Es
würde mir bei Galahad helfen – es würde mir leben helfen – , wenn ich wüßte,
daß es für etwas ist – wenn ich wüßte, daß Ihr – daß Ihr eines Tages
wiederkommt.«
    »Elaine,
ich versteh’ nicht, weshalb Ihr so redet.«
    »Ich
werde Euch nicht zurückhalten, Lanz. Vielleicht ist’s für Euch das Beste, wenn
Ihr geht. Vielleicht ist’s etwas, das geschehen muß. Ich wollte ja auch nur
wissen, ob ich Euch wiedersehen würde – weil es so wichtig für mich ist.«
    Er
nahm ihre Hände.
    »Wenn
ich gehe«, sagte er, »dann komme ich auch wieder.«
    Der
Mann am anderen Ufer des Burggrabens war Onkel Dap. Er stand neben Lanzelots
altem, inzwischen zwei Jahre älter gewordenen Streitroß, und seine vertraute
Rüstung von einst war sorgsam auf dem Sattel verpackt, als stünde eine
Inspektion bevor. Alles war ordnungsgemäß gefaltet und festgeschnallt. Das
Panzerhemd war zu einem festen Bündel zusammengerollt. Helm, Schulterpanzer und
Armschienen blinkten von wochenlangem Polieren und strahlten einen Glanz aus,
wie man ihn sonst nur an nagelneuen Gegenständen findet, die noch mit keiner
Hausmagd Bekanntschaft geschlossen haben. Es roch nach Lederseife, vermischt
mit dem unverkennbaren persönlichen Geruch, der einer Rüstung anhaftet –
unverwechselbar wie der Geruch einer Golf-Ausrüstung, und für einen Ritter
äußerst erregend.
    Lanzelots
Muskeln spannten sich; sein Körper sehnte sich nach der altgewohnten Rüstung,
die er seit seinem Weggang von Camelot nicht mehr gesehen hatte. Sein
Zeigefinger erfühlte, wo der Schwertknauf ihn als Dreh- und Haltepunkt
brauchte. Sein Daumen kannte genau den Druck, der auf die Oberkante des Griffs
ausgeübt werden mußte, damit das Spiel um den Drehpunkt ins Gleichgewicht kam.
Sein ganzer Arm erinnerte sich der Balance von Joyeux und lechzte danach, es
durch die Luft zu schwingen.
    Onkel
Dap sah älter aus und sagte nichts. Er hielt nur die Zügel und legte die
Ausrüstung bereit; er wartete darauf, daß der Ritter aufsitzen und losreiten
werde. Seine scharfen Augen, denen eines Habichts ähnlich, behielten die
Rüstung im Blick. Stumm hielt er den großen Tiltehelm empor: mit dem vertrauten
Helmbusch aus Reiherfedern und dem silbernen Faden.
    Lanzelot
nahm den Helm beidhändig von Onkel Dap entgegen und drehte ihn herum. Seine
Hände wußten, welches Gewicht sie erwartete: genau zweiundzwanzig und ein
halbes Pound. Er sah die makellose Politur, die frische Polsterung und hinten
den neuen Überhang. Er war aus azurblauem Taft, und darauf waren mit goldenem
Faden die vielen kleinen fleur-de-lis des alten Frankreich gestickt. Er
wußte sogleich, wessen Hand diese Stickerei zu verdanken war. Er hob den Helm
an die Nase und roch an dem Überhang.
    Alsbald
war sie da: nicht die Ginevra, derer er sich bei den Zinnen erinnert

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