Der König auf Camelot
Speisenden
trugen Blumenkränze und anmutige Gebinde. Die Pagen servierten die Speisen mit
den rituellen Bewegungen eines Balletts. Weinflaschen wurden auf den Tisch
gestellt, Ale jedoch wurde, weil geringer geachtet, unterm Tisch placiert. Die
Musikanten mit ihren seltsamen Orchestern aus Glocken, großen Hörnern, Harfen,
Gamben, Zithern und Orgeln spielten auf, während die Hungrigen schlemmten. Wo
einst, ehe König Arthur seinen Ritterbund gegründet hatte, der Knight of the
Tower Landry seine Tochter hatte davor warnen müssen, ihren eigenen Speisesaal
des Abends unbegleitet zu betreten – aus Angst vor dem, was in den dunklen
Winkeln geschehen mochte – , da herrschten jetzt Licht und Musik. In den
rauchigen Gewölben, wo einst die schmierigen Barone mit blutigen Fingern ihre
Knochen abgenagt hatten, aßen die Menschen jetzt mit sauberen Händen, die sie
mit Kräuterduftwasser in Holzschalen gewaschen hatten. In den Kellern der
Klöster zapften die Kellermeister jungen und alten Ale, Met, Portwein, Claree,
dry Sherry, Rheinwein, Bier, Metheglyn, Birnwein, Würzwein sowie den besten
weißen Whisky. An den Gerichtshöfen hielten sich die Richter an des Königs
neues Gesetz statt an die brutalen Regeln der Fort Mayne. In den
Bauernhütten buken die Hausfrauen so viel heißes Griddle-Brot, daß einem der
Mund davon wässerte, und legten guten Torf aufs Feuer und hüteten fette Gänse
auf dem Anger – genug, um zwanzig Familien zwanzig Jahre lang zu beköstigen.
Die Saxen und Normannen aus Arthurs Gefolge hatten begonnen, sich als Engländer
zu fühlen.
Kein
Wunder, daß die jungen ehrgeizigen Ritter Europas zu dem großen Hof strömten.
Kein Wunder, daß sie einen König sahen, wenn sie Arthur zu Gesicht bekamen, und
einen Eroberer, wenn sie Lanzelot vorgestellt wurden.
Einer
der jungen Männer, die in jenen Tagen an den Hof kamen, war Gareth. Ein anderer
war Mordred.
KAPITEL 26
»Wir sehen heutzutage
nicht mehr so viele Pfeile in Menschenherzen beben«, bemerkte Lanzelot eines
Nachmittags an den Schießständen der Bogenschützen. »Beben!« rief Arthur aus.
»Welch schönes, ausdrucksstarkes Wort, um das Vibrieren eines Pfeils zu
beschreiben, der soeben getroffen hat.«
Lanzelot
sagte: »Ich hab’s in einer Ballade gehört.«
Sie
gingen fort und setzten sich in einer Laube nieder, von wo aus sie die jungen
Leute bei ihren Schießübungen beobachten konnten.
»Es
stimmt schon«, sagte der König düster. »Viel von den alten Kämpfen ist in
dieser dekadenten Zeit nicht mehr übriggeblieben.«
»Dekadent?«
protestierte sein Oberbefehlshaber. »Weshalb seid Ihr so schwermütig? Ich
dachte, so hättet Ihr’s haben wollen.«
Arthur
wechselte das Thema.
»Gareth
macht sich gut«, sagte er, während er dem jungen Mann zusah. »Es ist
merkwürdig: er kann nicht viele Jahre jünger sein als Ihr, und doch macht er
immer den Eindruck eines Knaben.«
»Gareth
ist ein lieber Kerl.«
Der
König legte seine Hand auf Lanzelots Knie und drückte es freundschaftlich.
»Andere
würden vielleicht sagen, daß Ihr der liebe Kerl seid«, sagte er, »was Gareth
angeht. Es ist geradezu legendär geworden, wie der Junge anonym am Hofe
auftauchte, so daß seine eigenen Brüder ihn nicht erkannten, und wie er in der
Küche gearbeitet hat und den Spitznamen Beaumains bekam, als Kay boshaft sein
wollte, und wie Ihr als einziger gut zu ihm wart, bis er sein großes Wagestück
absolvierte und ein Ritter wurde.«
»Na
ja«, sagte Lanzelot abwehrend, »seine Brüder hatten ihn fünfzehn Jahre nicht
gesehn. Dafür könnt Ihr Gawaine nicht die Schuld geben.«
»Ich
beschuldige doch niemanden. Ich habe ja nur gesagt, daß es nett von Euch war,
einem Küchenpagen Beachtung zu schenken und ihm weiterzuhelfen und ihn
schließlich zum Ritter zu schlagen. Aber davon ganz abgesehen – Ihr wart immer
nett zu Euern Mitmenschen.«
»Es
ist seltsam, wie sie alle herkommen«, sagte sein Freund.
»Ich
glaube, sie können einfach nicht fernbleiben. Jeder Junge mit ein bißchen
Schwung und Schneid hat das Gefühl, an Arthurs Hof kommen zu müssen, und sei’s
auch nur, um in der Küche zu arbeiten – weil dieser Hof der Mittelpunkt der
neuen Welt ist. Deshalb ist Gareth seiner Mutter davongelaufen. Sie wollte ihn
nicht weglassen, da ist er fortgelaufen und incognito hergekommen.«
»Unsinn.
Morgause ist ein böses altes Weib. Mehr kann man über sie nicht sagen. Sie hat
ihm verboten, an den Hof zu kommen, weil
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