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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Galahad zeigte mir Kraniche über dem Wasser, deren Schatten
umgedreht unter ihnen herflogen. Er erzählte mir, daß die Fischersleute den
Kormoran ›The Old Black Hag‹ nennen, die ›alte schwarze Hexe‹, und daß die
Kolkraben so alt werden wie ein Mensch. Krächzend flogen sie hoch in der Luft
und ließen sich dann zum Spaß herunterfallen. Eines Tages haben wir ein Pärchen
Alpenkrähen gesehen – die waren hübsch! Und die Seehunde! Sie kamen ans Schiff
heran und redeten wie Menschen. – An einem Montag kamen wir an ein bewaldetes
Ufer. Ein weißer Ritter kam an den Strand geritten und sagte zu Galahad, er
solle vom Schiffe steigen. Ich wußte, daß man ihn holte, damit er den Heiligen
Gral finde; und da war ich traurig, daß ich nicht mitgehen konnte. Erinnert Ihr
Euch, wie die Kinder Spielparteien wählten, als Ihr klein wart, und wie es war,
wenn keine der beiden Seiten Euch haben wollte? So fühlte ich mich, nur viel
schlimmer. Ich bat Galahad, für mich zu beten. Ich bat ihn, zu Gott zu beten,
daß er mich in seinen Diensten behalten möge. Dann küßten wir uns und nahmen
Abschied voneinander.«
    Ginevra
bemängelte: »Wenn Ihr im Zustand der Gnade wart, dann kann ich nicht verstehen,
weshalb man Euch zurückgelassen hat.«
    »Es
ist schwierig«, sagte Lanzelot.
    Er
öffnete seine Hände und blickte zwischen ihnen auf den Tisch.
    »Vielleicht
waren meine Absichten schlecht«, sagte er endlich. »Vielleicht hatte ich
zuinnerst – unbewußt, könnte man sagen – nicht die rechte Bereitschaft zur
Besserung…«
    Die
Königin strahlte, kaum wahrnehmbar, während sie zuhörte.
    »Unsinn«,
flüsterte sie und meinte das Gegenteil. Warm drückte sie seine Hand, und
Lanzelot entzog sie ihr.
    »Als
ich darum bat, in Diensten gehalten zu werden«, sagte er, »war das vielleicht,
weil ich…«
    »Mir
will scheinen«, sagte Arthur, »daß Ihr Euch den Luxus eines unnötig empfindlichen
Gewissens leistet.«
    »Kann
sein. Auf jeden Fall wurde ich nicht auserwählt.«
    Er
saß da und sah, wie das Meer zwischen seinen Händen wogte, und hörte das
hölzerne Geklapper der Baßtölpel auf einer Inselklippe.
    »Das
Schiff brachte mich wieder aufs Meer hinaus«, sagte er nach einer Weile. »Mit
einer steifen Brise. Ich habe nicht viel geschlafen, aber ich habe viel
gebetet. Ich habe darum gebeten, daß mir – wenn ich schon nicht auserwählt war
– vergönnt sein möge, wenigstens ein bißchen neue Kunde vom Heiligen Gral zu
erfahren.«
    In
der Stille, die daraufhin den Raum erfüllte, hing jeder seinen Gedanken nach.
Arthur malte sich das mitleiderregende Schauspiel aus: ein irdischer, sündiger
Mann, aber der beste seiner Gattung, mühsam hinter diesen drei übernatürlichen
männlichen Jungfrauen einherstapfend – welch verdammte, wackere, vergebliche
Plackerei.
    »Komisch«,
sagte Lanzelot, »wie die Menschen, die nicht beten können, behaupten, daß
Gebete nicht erhört würden – so sehr auch die Menschen, die beten können,
behaupten, daß sie erhört werden. Mein Schiff brachte mich um Mitternacht in
einem Sturm an die Rückseite von Carbonek Castle. Sonderbar auch, daß dies
ausgerechnet der Ort war, nach dem ich mich zu Anfang aufgemacht hatte. – In
dem Augenblick, da mein Schiff längsseits kam, wußte ich, daß mir ein Teil
meines Wunsches erfüllt werden würde. Ich konnte natürlich nicht alles sehen,
weil ich kein Galahad oder Bors bin. Aber die waren sehr freundlich zu mir. Sie
taten, was sie konnten, um sich mir entgegenkommend zu zeigen. – Hinter der
Burg war es schwarz wie der Tod. Ich legte meine Rüstung an und stieg hinauf.
Am Zugang zur Treppe waren zwei Löwen, die mir den Eintritt verwehrten. Ich zog
mein Schwert, um mir den Einlaß zu erkämpfen, doch da schlug mir eine Hand auf
den Arm. Natürlich war es töricht von mir, mich auf mein Schwert zu verlassen,
da ich mich auf Gott hätte verlassen können. Also beglückwünschte ich mich zu
meinem lahmen Arm und ging hinein, und die Löwen taten mir nichts. Alle Türen
standen offen, mit Ausnahme der letzten, und dort kniete ich nieder. Als ich
betete, ging sie auf. – Arthur, dies muß Euch erfunden vorkommen, wie ich’s
erzähle. Ich weiß nicht, wie ich’s in Worte fassen soll. Hinter der letzten
Türe lag eine Kapelle. Die Messe wurde zelebriert. – Ach, Jenny, die
wunderschöne Kapelle mit den Lichtern und allem! Ihr würdet sagen: ›Die Blumen
und die Kerzen‹. Aber die waren es nicht. Vielleicht waren überhaupt keine

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