Der König auf Camelot
war niemals unbedeutend (obwohl sie ungestüm lebte
und schließlich unausgesöhnt starb; denn für Religion hatte sie wenig Sinn, im
Gegensatz zu Lanzelot). Sie tat, was Frauen tun, ganz und gar königlich; und
damit war sie, im Badezuber, die Wappenlöwen vor Augen, vollauf beschäftigt.
Wenn
ein Mann Gott gesehen zu haben glaubt, darf man ihn, und sei er noch so
menschlich, nicht unmittelbar darauf als Liebhaber erwarten. Wenn dieser Mann
auch noch Lanzelot heißt und in Gott vernarrt ist, dann muß man schon
heißblütig und grausam zugleich sein, um überhaupt derlei von ihm zu verlangen.
Aber Frauen sind in dieser Hinsicht nun einmal grausam. Sie lassen da keine
Entschuldigungen gelten.
Ginevra
wußte, daß Lanzelot zu ihr zurückkehren werde. Sie hatte es von dem Augenblick
an gewußt, da er darum gebetet hatte, ›behalten‹ zu werden. Dieses Wissen hatte
sie wieder zum Leben erweckt, wie eine Pflanze, der man nach allzulanger Dürre
Wasser gibt. Schminke und Seidenprunk verschwanden, die bei der Rückkehr sein
Mitgefühl erregt hatten. Nun blieb ihr nur noch die Aufgabe, behutsam die
vollkommene Wiedervereinigung herbeizuführen. Es eilte nicht.
Lanzelot,
der nicht wußte, daß er seinen vielgeliebten Gott wegen der Königin erneut
betrügen würde, fühlte sich durch ihr Verhalten beglückt – obgleich es ihn
überraschte. Er hatte entsetzliche Eifersuchtsszenen und Anklagen befürchtet.
Er hatte sich gefragt, wie er es dem gequälten Kind, das gefangen lag hinter
den bemalten Augenlidern, klarmachen könnte, daß er nicht zu ihr kommen dürfe –
daß er eine andere Aufgabe vor sich sehe, eine süßere Pflicht, auch wenn er ihr
damit wehtun müsse. Er hatte befürchtet, sie würde ihn attackieren, würde ihm
Schlingen legen – Schlingen, die eben wegen ihrer Kläglichkeit ein
verführerisches Mitleid erregen konnten. Er hatte wirklich nicht gewußt, wie er
mit dem eigenen Erbarmen fertigwerden sollte.
Statt
dessen war Ginevra erblüht und hatte ihre Bemalung aufgegeben. Sie hatte keinen
Angriff unternommen, keine Beschuldigung vorgebracht.
Sie
hatte vor echter Freude gelächelt. Frauen, so sagte er sich, sind eben
unberechenbar. Es war sogar möglich gewesen, die Angelegenheit in voller
Offenheit mit ihr zu erörtern, und sie hatte allem, was er vorbrachte, zugestimmt.
Ginevra
sah, im Bade sitzend, die jungen Löwen vor sich, sah und sah doch nicht. In
ihrem Gesicht war der schläfrige Ausdruck heimlichen Glücks, als sie sich ihrer
Unterhaltung erinnerte. Sie sah das liebreizende häßliche Gesicht, das so
ernsthaft von den Interessen seines ehrlichen Herzens sprach. Sie liebte diese
Interessen – liebte es, wie der alte Soldat seiner unschuldigen Gottesliebe so
unerschütterlich treu blieb. Sie wußte, daß diese eines Tags versagen mußte.
Lanzelot
hatte sich entschuldigt und sie gebeten, seine Worte nicht als Kränkung zu
verstehen. Dann hatte er gesagt, daß sie 1 . nach dem Gral nicht mehr gut
in die alten Geleise zurückkehren könnten; daß es ihm 2. möglicherweise
vergönnt gewesen wäre, den Gral zu erlangen, wenn ihre schuldige Liebe nicht
dazwischengestanden hätte; daß es 3. auf jeden Fall gefährlich wäre, da die
Orkneys begönnen, sie argwöhnisch zu beobachten, insbesondere Agravaine und
Mordred; und daß es 4. für sie und auch für Arthur eine große Schande wäre. Er
hatte seine Punkte sorgfältig numeriert.
Bei
anderen Gelegenheiten versuchte er, ihr mit wirren Sätzen und in großer
Ausführlichkeit zu erklären, wie er Gott entdeckt habe. Er war der Meinung, das
moralische Problem sei gelöst, wenn es ihm gelänge, Ginevra zu Gott zu
bekehren. Wenn sie gemeinsam zu Gott gehen könnten, würde er seine Geliebte
nicht im Stich lassen und brauchte ihr Glück nicht dem eigenen zu opfern.
Die
Königin lächelte übers ganze Gesicht. Er war ein herzlieber Kerl. Sie hatte
allem beigepflichtet, was er gesagt hatte – sie war schon jetzt regelrecht
bekehrt.
Alsdann
hob sie einen weißen Arm aus dem Bade und langte nach einer Wurzelbürste mit
Elfenbeinstiel.
KAPITEL 35
Im ersten Überschwang
seiner Wiederkehr hatte sich alles vorzüglich angelassen. Königinnen können
womöglich weiter vorausschauen als gewöhnlich Sterbliche, doch scheinen auch
ihrem Sehvermögen Grenzen gesetzt zu sein. Es war schön, mit warmem Gefühl eine
Woche oder einen Monat lang zu warten, während Lanzelot seiner Gottheit die
Treue hielt. Als die Monate jedoch
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