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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Gin die Geliebte
Lanzelots seit vor der Sintflut ist. Aber was hilft uns das? Der König weiß es
selbst. Dreimal ist’s ihm gesagt worden, das weiß ich sicher. Ich wüßte nicht,
was wir tun könnten.«
    Agravaine legte einen Finger an die Nase,
wie ein besäuselter Stadtpfeifer; dann bewegte er ihn vor seinem Bruder hin und
her.
    »Es ist ihm gesagt worden«, verkündete er,
»aber auf Umwegen. Die Leute haben ihm Andeutungen gemacht, haben ihm Schilde
mit zweideutigen Symbolen geschickt, oder Hörner, aus denen nur treue Ehefrauen
trinken können, und so was. Aber niemand hat’s ihm in der Öffentlichkeit
gesagt, gradheraus, von Angesicht zu Angesicht. Meliagrance hat nur allgemeine
Anklage erhoben, und sogar das war noch in den Tagen des Gerichtsentscheids
durch Kampf. Überleg doch, was geschehen würde, wenn wir Sir Lanzelot
persönlich anprangern würden – unter diesen neumodischen Gesetzen – , so daß
der König gezwungen wäre, eine Untersuchung einzuleiten.«
    Mordreds Augen klappten auf wie die der
Eule.
    »Nun?«
    »Ich wüßte nicht, was geschehen würde.
Allenfalls gab’s einen Riß. Arthur ist auf Lanzelot angewiesen, er braucht ihn
’als Kommandeur, als Befehlshaber seiner Truppen. Daher stammt seine Macht –
weil jedermann weiß, daß gegen nackte Gewalt niemand ankann. Aber wenn wir
einen hübschen kleinen Krach zwischen ihnen anzetteln könnten, wegen der
Königin, dann würde ihre Macht in zwei Teile zerbrechen. Und dann käme der
Zeitpunkt für die Politik. Dann käme der Zeitpunkt für die Unzufriedenen: für
die Gammler und die Kommunisten und die Nationalisten und all das Gesindel.
Dann käme der Zeitpunkt für deine berühmte Rache.«
    »Wir könnten sie zerschlagen, weil sie
untereinander zerstritten sind.«
    »Aber es bedeutet noch mehr.«
    »Es bedeutet, daß die Cornwalls wegen
Großvater quitt sind, und ich wegen Mutter…«
    »… nicht, indem wir Gewalt gegen Gewalt
setzen, sondern indem wir unsern Verstand benutzen.«
    »Das heißt, daß ich mich an dem Manne
rächen könnte, der mich als kleines Kind hat ersäufen wollen…«
    »… indem wir uns zuerst an den Prahlhans
machen und dann ein bißchen vorsichtig sind.«
    »An unsern berühmten…«
    »… Sir Lanzelot!«
     
    Die Situation – vielleicht zum letzten Mal
sei daran erinnert – war die, daß Arthurs Vater den Grafen von Cornwall getötet
hatte. Er hatte den Mann getötet, weil ihn nach dessen Weib gelüstete. In der
Nacht, da der Earl getötet worden war, hatte die unglückliche Gräfin einen Sohn
empfangen, nämlich Arthur. Da dieser zu früh geboren wurde, nach Maßgabe der
gültigen Konventionen wie Trauerfrist, Heirat und so weiter, gab man ihn
insgeheim bei Sir Ector vom Forest Sauvage in Pflege. Dort war er aufgewachsen,
ohne seine Herkunft zu kennen, bis er sich als Jüngling von neunzehn Lenzen mit
Morgause einließ, ohne zu wissen, daß sie eine seiner Halbschwestern, eine
Tochter der Gräfin und des ermordeten Grafen, war. Diese Halbschwester –
bereits Mutter von vier Söhnen: Gawaine, Agravaine, Gaheris und Gareth – war
doppelt so alt wie der junge König, und sie hatte ihn mit Erfolg verführt. Das
Ergebnis dieser Verbindung war Mordred, der von seiner Mutter in der rauhen
Abgeschiedenheit der Äußeren Inseln großgezogen wurde. Er war deshalb allein
mit Morgause aufgewachsen, weil er so viel jünger war als die andern. Die
Brüder waren bereits ausgeflogen und an den Hof des Königs geeilt – vom Ehrgeiz
getrieben, weil’s der größte Hof der Welt war, oder schlicht aus dem Grund,
weil sie ihrer Mutter entkommen wollten. Mordred war übriggeblieben, und ihn beherrschte
sie – mit ihrem angestammten Groll gegen den König und ihrem ureigenen Mißmut.
Denn sie hatte es zwar vermocht, den minderjährigen Arthur zu verführen, doch
er hatte sich ihr entzogen, um Ginevra zu ehelichen. Morgause, über dem
einzigen Kinde brütend, dem letzten, das ihr geblieben war, hatte ihre ganze
mütterliche Macht auf den verkrüppelten Knaben konzentriert. Sie verzärtelte
und vergaß ihn abwechselnd: eine unersättliche Fleischfresserin, die von der
Zuneigung ihrer Hunde, ihrer Kinder und ihrer Liebhaber lebte. Zum guten Schluß
hatte einer ihrer eigenen Söhne in einem Eifersuchtsanfall ihr den Kopf
abgeschlagen, weil er die Siebzigjährige mit einem jungen Manne namens Sir
Lamorak im Bette antraf. Mordred – verwirrt, hin und her gerissen von den
Liebes- und Haßgefühlen, die ihn mit seinem schrecklichen

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