Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
hatte; Vorfahren, die auf blanken Pferderücken ritten, in
Streitwagen angriffen, mit vielerlei Kriegslist kämpften und ihre schaurigen
Festen mit den Köpfen ihrer Feinde schmückten. Marschiert waren sie, langhaarig
und blutgierig, wie uns ein alter Schriftsteller berichtet, ›das Schwert in der
Hand, gegen überflutete Flüsse oder gegen den sturmgepeitschten Ozean‹. Sie
waren jene Rasse, die jetzt eher von der Irisch-Republikanischen Armee
repräsentiert wird als von den schottischen Nationalisten; eine Rasse von
Leuten, die allezeit ihre Gutsherrn ermordeten und dann sagten, die Ermordeten
seien schuld, nicht die Mörder; eine Rasse, die aus einem Manne wie Lynchahaun einen Nationalhelden
machte, weil er einer Gallierin die Nase abgebissen hatte; eine Rasse, die vom
Vulkan der Geschichte in die letzten Winkel des Erdballs getrieben worden war,
wo sie noch heute mit giftigem Groll, aus einem dumpfen Gefühl der
Benachteiligung und Minderwertigkeit, ihren alten Größenwahn proklamiert. Es
war die Rasse von Katholiken, die jedem Papst oder Heiligen ins Gesicht
springen konnten – Hadrian, Alexander oder St. Hieronymus – , wenn des Heiligen
Politik nicht ihren Vorstellungen entsprach, den Interessen der hysterisch
empfindlichen, traurigen, geschundenen Verteidiger eines zerrütteten Erbes. Sie
waren die Rasse, deren barbarisch gewitzter, tapferer Trotz vor langen
Jahrhunderten von den Fremden gebrochen worden war, die Arthur repräsentierte.
Dies war eine der Barrieren zwischen dem Vater und seinem Sohn.
    Agravaine sagte: »Mordred, ich muß mit dir
reden. Man kann hier, scheint’s, nirgends sitzen. Setz dich auf das Ding da,
und ich setz’ mich hierher. Keiner kann uns hören.«
    »Ich habe nichts dagegen, wenn sie uns
hören. Das wollen wir doch gerade! Es sollte laut ausgesprochen werden, nicht
in Kreuzgängen geflüstert.«
    »Das Geflüster wird ihn schließlich doch
erreichen.«
    »Nein, das wird’s eben nicht! Er will’s
nicht hören, und solange wir flüstern, kann er immer vorgeben, nichts gehört zu
haben. Man ist doch nicht all die Jahre König von England, ohne zu wissen, wie
man Heuchelei handhabt.«
    Agravaine war’s nicht wohl in seiner Haut.
Sein Haß auf den König war keine Realität wie der Haß Mordreds – ja, er hatte
eigentlich gegen niemanden etwas, nur gegen Lanzelot. Seine Haltung war eher
die einer allgemeinen, ungezielten Bosheit.
    »Ich glaube nicht, daß es Sinn hat, gegen
etwas Klage zu führen, das in der Vergangenheit geschehen ist«, sagte er
düster. »Wir können nicht erwarten, daß die Leute unsere Partei ergreifen, wenn
alles so kompliziert ist und schon so lange zurückliegt.«
    »Es mag ja lange zurückliegen, aber das
ändert nichts an der Tatsache, daß Arthur mein Vater ist und daß er mich, als
ich ganz klein war, in einem Schiff ausgesetzt hat.«
    »Für dich mag es vielleicht nichts
ändern«, sagte Agravaine, »aber für andere ändert es was. Es ist ein solcher
Kuddelmuddel, daß niemand mehr weiß, worum’s eigentlich geht. Du kannst nicht
erwarten, daß gewöhnliche Menschen sich an Großväter und Halbschwestern und
derlei Dinge erinnern. Überhaupt zieht heutzutage keiner mehr wegen privater
Fehden in den Krieg. Du brauchst einen nationalen Notstand – irgend etwas
Politisches, das auf den Ausbruch wartet. Du mußt dich der Werkzeuge bedienen,
die zur Hand liegen. Dieser John Ball, zum Beispiel, der auf den Kommunismus
schwört: der hat Tausende von Anhängern, die bei einer Unruhe gerne helfen
würden, um ihre eigenen Zwecke dabei zu verfolgen. Oder da sind die Saxen. Wir
könnten sagen, wir träten für eine nationale Bewegung ein. Ja, wir könnten sie
miteinander verbinden und das Ganze ›National-kommunismus‹ nennen. Aber es muß
etwas Allgemeines und Populäres sein, das jedem etwas sagt. Und es muß gegen
einen großen Haufen gerichtet sein, gegen die Juden oder die Normannen oder die
Saxen, so daß jeder ordentlich wütend sein kann. Wir müssen die Anführer der
›Alten‹ werden und mit dem Schrei nach Gerechtigkeit wider die Saxen streiten,
oder die Saxen gegen die Normannen hetzen, oder die Leibeigenen gegen die
Gesellschaft. Ein Banner brauchen wir, ja, und ein Abzeichen auch. Man könnte
das Fylfot, die Swastika, nehmen. Kommunismus, Nationalismus, irgend so was.
Aber bloß ein Privatkrach mit dem alten Herrn, das gibt nichts her. Überhaupt:
es würd’ dich eine halbe Stunde kosten, bis du’s erklärt hast, auch wenn du’s
von

Weitere Kostenlose Bücher