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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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den Dächern brüllen würdest.«
    »Ich könnte brüllen, daß meine Mutter
seine Schwester war und daß er mich deshalb hat ersäufen wollen.«
    »Das könntest du«, sagte Agravaine.
    Sie hatten, bevor der Uhu erwachte, über
das gesprochen, was in früheren Zeiten ihrer Familie angetan worden war – über
ihre Großmutter Igraine, der Arthurs Vater Unbill zugefügt hatte; über die
ganze längst vergangene Fehde der Galen und Gallier, wie sie ihnen von ihrer
Mutter im alten Dunlothian erzählt worden war. Diese Übeltaten, das erkannte
der kaltblütigere Agravaine, lagen viel zu weit zurück, waren viel zu
verschwommen, als daß man sie jetzt als Waffe gegen den König hätte einsetzen
können. Inzwischen aber waren sie zu Freveln neueren Datums gekommen: zu der
Sünde, die Arthur mit seiner Halbschwester begangen hatte und damit aus der
Welt schaffen wollte, daß er versuchte, den daraus hervorgegangenen Bastard
umzubringen. Dies wären stärkere Waffen gewesen – dummerweise jedoch war
Mordred selber der Bastard. Des älteren Bruders Feigheit sagte ihm, in seinem
praktischer arbeitenden Gehirn, daß ein Sohn schwerlich seine Illegitimität zum
Banner erheben kann, um unter diesem Feldzeichen seinen Vater zu stürzen.
Außerdem war die ganze Geschichte von Arthur schon vor langer Zeit vertuscht
worden. Es dünkte ihn nicht gut, daß ausgerechnet Mordred sie wieder
hervorkramen sollte.
    Stumm saßen sie da, blickten zu Boden.
Agravaine war nicht in bester Verfassung und hatte Ringe unter den Augen.
Mordred war schlank wie eh und je, schlank und rank und nach der neuesten Mode
herausgeputzt.
    Das Übertriebene seiner Kleidung war eine
gute Tarnung, unter der man seine verkrüppelte Schulter kaum bemerkte. Er sagte: »Ich bin
nicht stolz.«
    Mit Bitterkeit sah er seinen Halbbruder
an, wobei er mehr Bedeutung in diesen Blick legte, als der andere erkennen
konnte. Mit den Augen sagte er: ›Sieh dir meinen Buckel an. Ich hab’ keinen
Grund, stolz auf meine Geburt zu sein.‹
    Agravaine erhob sich ungeduldig.
    »Auf jeden Fall brauch’ ich was zu
trinken«, sagte er und klatschte in die Hände, um den Pagen herbeizurufen. Dann
strich er sich mit zitternden Fingern über die Augen, stand müde da und
betrachtete die Eule mit Widerwillen. Mordred beobachtete ihn, während sie auf
den Würzwein warteten, voller Verachtung.
    »Wenn du den alten Kohl wieder aufwärmst«,
sagte Agravaine, vom Hippokras belebt, »verbrennst du dir die Finger. Wir sind
nicht in Lothian, mußt du bedenken. Wir sind in Arthurs England, und seine
Engländer lieben ihn. Entweder werden sie sich weigern, dir zu glauben; oder,
wenn sie dir glauben, werden sie dir die Schuld geben, und nicht ihm, weil du
die Sache aufgebracht hast. Es ist absolut sicher, daß kein einziger sich einer
solchen Rebellion anschließen würde.«
    Mordred sah ihn an. Er haßte ihn, wie die
Eule, und verfluchte ihn, den Feigling. Er konnte es nicht ertragen, daß dieser
seine Racheträume durchkreuzte. Also konzentrierte er in Gedanken seinen Groll
auf Agravaine und stempelte ihn zum besoffenen Familienverräter.
    Agravaine spürte es. Getröstet von der
halben Flasche, die er sich schon einverleibt hatte, lachte er dem Jüngeren ins
Gesicht. Er klopfte ihm auf die gesunde Schulter und drängte ihn, sich ein Glas
zu füllen.
    »Trink«, sagte er glucksend. Mordred
nippte widerwillig, wie eine Katze, die man in die Pfütze drückt.
    »Hast du«, fragte Agravaine flapsend, »je
von einem mächtigen Heiligen namens Lanzelot gehört?«
    Er zwinkerte mit einem seiner
verschwollenen Augen und blickte leutselig vor sich hin.
    »Red’ weiter.«
    »Ich nehme also an, daß du von unserm preux
chevalier vernommen hast.«
    »Natürlich kenne ich Sir Lanzelot.«
    »Ich irre wohl nicht, wenn ich sage, daß
dieser edle Herre uns hat zu Fall gebracht, ein- oder zweimal?«
    »Das erste Mal, daß Lanzelot mich
ausgehoben hat«, sagte Mordred, »ist so lange her, daß ich’s gar nicht mehr weiß. Aber das
bedeutet nichts. Wenn dich ein Mann mit einem Stock vom Pferd stoßen kann, dann
bedeutet das doch nicht, daß er ein besserer Mensch ist als du.«
    Es war sonderbar: nun, da Lanzelot ins
Gespräch kam, veränderte sich Mordreds lebhafte Anteilnahme zu
Gleichgültigkeit. Agravaine indes, der bisher zurückhaltend gewesen war, wurde
redselig.
    »Genau«, sagte er. »Und unser edler Ritter
ist die ganze Zeit über der Geliebte der Königin von England gewesen.«
    »Jedermann weiß, daß

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