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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Wunder
bestand darin, daß ihm erlaubt worden war, ein Wunder zu tun. »Und lange weinte
Sir Lanzelot«, schreibt Malory, »als wie ein Kind, das man geprügelt.«
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    EXPLICIT LIBER
TERTIUS
     
     
    Viertes
Buch:
    Die Kerze im
Wind
     
     
     
    Er überlegte ein
Weilchen
    und sagte:
    Ich habe die
Erfahrung gemacht,
    daß Zoologische
Gärten vielen
    meiner Patienten
wohltun.
    Ich würde Mr.
Pontifex
    einen Kursus
Höhere Säugetiere
    verordnen.
    Laßt ihn nicht
glauben, er nehme
    sie als Medizin…

INCIPIT LIBER
QUARTUS
     
     
     
     
    KAPITEL l
     
     
    Die zurückliegenden Jahre hatten Agravaine
übel mitgespielt. Schon mit vierzig hatte er so alt ausgesehen, wie er jetzt
war: fünfundfünfzig. Er war selten nüchtern. Mordred, dieser kalte Irrwisch von
einem Mann, schien überhaupt alterslos zu sein. Seine Jahre waren nichtssagend,
wie die Tiefe seiner blauen Augen und die Modulationen seiner musikalischen Stimme.
    Die beiden standen im Kreuzgang des
Orkney-Palastes zu Camelot und blickten zu den Falken hinaus, die im grünen
Hofraum auf ihren Blöcken in der Sonne saßen. Der Kreuzgang hatte die
neumodischen ornamentierten Bögen, in deren reizvollen Rahmen die Beizvögel mit
stolzem Gleichmut hockten: ein Gerfalke, ein Habicht, ein Zwergfalkenpärchen
und vier junge Merline, die man den ganzen Winter über dabehalten hatte und die
dennoch am Leben geblieben waren. Die Blöcke waren sauber: die Sportsleute
jener Tage hegten die Meinung, daß man, wenn man schon einen blutigen Sport
betreibt, dessen Brutalität peinlichst verbergen müsse. Alle Tiere waren mit
scharlachrotem spanischem Leder und Goldgerät geschmückt. Die Koppelleinen der
Falken waren aus weißem Roßleder geflochten. Der Ger hatte eine schneeweiße
Koppel und Fußriemen aus garantiert echter Einhornhaut – womit seine
Sonderstellung betont wurde. Er war den ganzen weiten Weg übers Meer gebracht
worden, aus Island, und diese Auszeichnung nun war das mindeste, was man ihm
schuldete.
    Mordred sagte wohltönend: »Laß uns hier
verschwinden, um Gottes willen. Der Laden stinkt.«
    Als er sprach, bewegten sich die Falken
ein wenig, so daß ihre Glöckchen ein wisperndes Geläut anstimmten. Die
Glöckchen waren, ungeachtet der Kosten, eigens aus Indien angeschafft worden,
und das Paar, das der Ger trug, war aus Silber gemacht. Ein gewaltiger Uhu, der
bisweilen als Lockvogel benutzt wurde, jetzt aber im Schatten des Kreuzgangs
auf einer Sitzstange hockte, öffnete beim Klingeln der Glöckchen seine Augen.
Ehe er sie öffnete, hätte man ihn für eine ausgestopfte Eule halten können, für
ein struppiges Federbündel. In dem Augenblick aber, da sie aufgingen, war’s ein
Geschöpf von Edgar Allan Poe. Man traute sich kaum, es anzusehen. Rot glühten
die Augen, mörderisch, furchterregend; sie schienen tatsächlich Licht auszustrahlen.
Sie waren wie Rubine, in denen Flammen loderten. Das Tier trug den Namen ›der
Großherzog‹.
    »Ich rieche nichts«, sagte Agravaine. Er
schnupperte argwöhnisch, witterte. Aber sein Geruchssinn war verkümmert, sein
Geschmackssinn desgleichen, und er hatte Kopfschmerzen.
    »Es stinkt nach ›Sport‹«, sagte Mordred,
gleichsam in Anführungszeichen. »Und nach ›vollbrachten Taten‹, nach
›Edelmenschentum‹. Komm, wir gehn in den Garten.«
    Agravaine kehrte beharrlich zu dem Thema
zurück, das sie diskutiert hatten.
    »Es hat keinen Sinn, so viel Wesens davon
zu machen«, sagte er. »Wir wissen, was gespielt wird, aber sonst weiß es
keiner. Niemand hört auf uns.«
    »Aber sie müssen auf uns hören.« Kleine
Fleckchen in der Iris von Mordreds Augen brannten mit türkisfarbenem Feuer, so
hell wie das Eulengefunkel. Der geckenhafte Mann mit seiner verkrüppelten
Schulter, der sich extravagant kleidete, verwandelte sich ganz und gar zur
›Sache‹. Er wurde alles, was Arthur nicht war – das unversöhnliche Gegenteil
des Engländers. Er wurde der unbezwingliche Gäle, der Sprößling entrechteter
Rassen, die älter waren als Arthurs Sippschaft, älter und gewitzter. Nun, da er
für seine ›Sache‹ entflammt war, erschien ihm Arthurs Gerechtigkeit
stumpfsinnig und bourgeois. Sie nahm sich wie fade Selbstzufriedenheit
aus, verglichen mit der Barbarei und dem urwüchsig-wilden Witz der Pikten.
Seine mütterlichen Vorfahren lebten in ihm auf, wenn er Arthur verächtlich
abwies – Vorfahren, bei denen, wie in Mordreds Kindheit, das Matriarchat
geherrscht

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