Der König auf Camelot
Versuch unternahm, Blei in Gold zu verwandeln – eine
Kunst, die unsre Kräfte bis zum heutigen Tage übersteigt, wenngleich wir ihr
durch die Kernfusion ein wenig näherkommen. Und dort hinten, weit weg, in der
Umgebung eines Klosters, hätte man eine Prozession verärgerter Mönche sehen
können, die barfuß um ihr Anwesen marschierten; möglicherweise mußten sie,
halblaute Verwünschungen ausstoßend, gegen die Sonne gehen, da sie sich mit
ihrem Abt entzweit hatten.
Bei einem Blick in diese Richtung hätte
man vielleicht einen mit Knochen eingezäunten Wengert entdeckt – in Arthurs
Frühzeit hatte man nämlich herausgefunden, daß Gebeine ausgezeichnete Zäune für
Weingärten, Friedhöfe und sogar für Festungsvorwerke abgaben. Auf der anderen
Seite mochte man ein Burgtor erblicken, das wie die Trophäensammlung eines
Oberförsters aussah: es war über und über mit den Schädeln von Wölfen, Bären,
Hirschen und anderem Wild bestückt. Links in der Ferne ging vielleicht, strikt
nach den von Geoffrey de Preully festgelegten Regeln, ein Turnier vonstatten,
und die Kings-at-arms examinierten sorgsam die Kombattanten – wie die
Unparteiischen vor einem Boxkampf – , um sich zu vergewissern, daß sie nicht
auf ihren Sätteln festgebunden waren. Die Kampfrichter bei dem Schiedsduell
zwischen einem gewissen Earl of Salisbury und einem Bischof von Salisbury, zur
Zeit des vermeintlichen Königs Edward III. entdeckten, daß der Champion des
Bischofs unter seiner Rüstung überall Gebete und Zauberformeln angenäht trug –
was ungefähr so schlimm war, wie wenn ein Boxer ein Hufeisen in seinem
Handschuh versteckt. Direkt unterm Fenstersims schaukelten vielleicht zwei
hartleibige päpstliche Nuntien vorbei, die düsteren Gemüts heimwärts gen Rom
ritten. Ein solches Paar wurde einst mit Bannbullen ausgeschickt, Barnabas
Visconti zu exkommunizieren. Barnabas zwang sie jedoch, ihre Bulle zu
verspeisen: Pergament, Verschnürung, bleierne Siegel und alles. Warum sollte
nicht dicht hinter ihnen ein professioneller Pilger des Weges kommen, der sich
auf einen knorrigen, eisenbeschlagenen Stab stützt, eine Art ›Alpenstock‹, und
unter einer Ladung geweihter Medaillen, Reliquien, Muscheln, Schweißtücher und
sonstiger Devotionalien stöhnt? Er würde sich als palmer oder Pilgrim
bezeichnen, und wenn er weitgereist war, gehörte zu seinem heiligen Kram eine
Feder des Erzengels Gabriel; ein paar der Kohlen, auf denen St. Laurentius
gegrillt wurde; ein Finger des Heiligen Geistes, »heil und ganz wie eh und je«;
»ein Fläschlein Schweißes von St. Michael, da er mit dem Teufel gekämpft«; ein
Zweiglein »des Busches, aus dem der Herr zu Moses sprach«; eine Weste von St.
Peter oder ein paar Tropfen der zu Walsingham aufbewahrten Milch der
Gebenedeiten Jungfrau. Auf den Pilgrim folgte vielleicht eine eher finstere
Gestalt, einer jener Menschen, die »des Tages schlafen und wachsam sein bei
Nacht, gut essen und gut trinken, aber nichts besitzen«. Ein outlaw also, ein
Geächteter, über den geschrieben steht:
Dem, der in Acht, sei zugedacht, daß man
ihn faß und bind
Und sonder Gnad am Baume frei ihn baumeln
laß im Wind.
Ehe es jedoch zum Aufknüpfen kam, zu
seinem letzten Baumeln im Wind, führte er ein freies Leben. Seine Gefährtin
marschierte stramm neben ihm her; auch auf ihren Kopf war ein Preis ausgesetzt,
und sie war kahlgeschoren worden, ehe sie sich in die Wälder geflüchtet hatte.
Höchstwahrscheinlich drehte sie sich häufig um, immer in der Furcht vor dem
Hetzgeschrei einer Menschenmeute, die hinter ihnen her war.
Vielleicht kam nun ein Baron des Wegs, der
vor sich her eine heiße Pastete tragen ließ, weil er einmal des Jahrs dem König
eine solche Pastete darzubringen hatte, als kulinarischen Lehnszins sozusagen,
den König Arthur beschnuppern konnte. Ein anderer Baron ging vielleicht in
voller Rüstung auf einen Drachen oder ein anderes Ungetüm los, und – rumms! –
unten lag er, während sein Gaul sich in leichtem Galopp entfernte. In einem
solchen Falle aber ließ ihn einer der Diener sogleich auf seinem eigenen Pferde
aufsitzen – wie wir’s heutigentags mit einem Master-of-hounds tun würden
– , denn so wollte es das Feudalrecht. Fern im Norden, im letzten Dämmerschein,
zuckte vielleicht ein Licht in der Hütte einer geschäftigen Hexe auf, die sich
nicht damit begnügte, das wächserne Ebenbild eines Menschen anzufertigen, den
sie nicht leiden konnte, sondern dies Ebenbild auch
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