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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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wo der Mörtel
zwischen den Steinen rieselt. Die Mauern von Joyous Gard waren verputzt. Man
hatte Chrom in die Tünche gemengt, so daß sie einen leichten Goldschimmer
erhielt. Ihre schiefergedeckten Türme, kegelförmig nach französischer Mode,
entsprossen dem komplizierten Gefüge der Wehrbauten in überraschungsreicher
Vielfalt. Es gab phantastische Brückchen – überdacht wie die Seufzerbrücke in
Venedig – , die von dieser oder jener Kapelle zu diesem oder jenem Turme
führten. Außentreppen gab’s, die weiß-der-Himmel-wo-hin führten – vielleicht in
den Himmel. Kamine ragten urplötzlich aus Pechnasen hervor. Richtige Buntglasfenster,
hoch droben, der Gefahrenzone entrückt, leuchteten voll Pracht, wo einst nackte
Mauern gewesen waren. Fähnlein, Kreuze, Wasserspeier, Wetterhähne,
Spitztürmchen und Glockenstühle drängten sich in tollem Gewimmel auf den
verwinkelten Dächern – Dächern, die sich hierhin und dorthin erstreckten,
bisweilen aus roten Ziegeln, bisweilen aus bemoostem Stein, bisweilen aus
Schiefer. Der Gebäudekomplex war eher eine Ortschaft denn eine Burg. Ein
luftig-lockeres Konditorkunstwerk war’s, nicht das harte, ungesäuerte Brot von
Dunlothian.
    Rings um die Freudenburg zog sich das Camp
der Belagerer. Könige nahmen in jenen Tagen ihre Gobelins auf den Feldzug mit –
die Beschaffenheit ihrer Feldlager ist damit wohl hinreichend charakterisiert.
Die Zelte waren rot, grün, kariert, gestreift. Manche waren aus Seide. In einem
Irrgarten aus Farben und Halteseilen, Zeltpflöcken und Speeren, aus
Schachspielern und Marketendern, aus Gobelins und goldenem Geschirr hatte
Arthur von England sich niedergelassen, um seinen Freund auszuhungern.
     
    Lanzelot und Ginevra standen an einem
offenen Feuer in der Halle. Es war nicht mehr üblich, das Feuer in der Mitte
eines Raumes zu entfachen und den Rauch, so gut’s eben ging, einfach durch die
Oberlichter abziehen zu lassen. Hier war ein richtiger Kamin, reich verziert mit
den eingemeißelten Wappenschildern und Wappenträgern des Hauses Benwick, und
auf dem Rost
schwelte ein halber Baum. Der Boden draußen war durch das Eis zu glitschig für
die Pferde geworden. Also gab’s einen Tag Waffenstillstand – auch wenn ihn
keiner erklärt hatte.
    Ginevra sagte: »Ich begreife noch immer
nicht, wie Ihr das fertiggebracht habt.«
    »Ich auch nicht, Jenny. Ich weiß nicht
einmal, daß ich’s überhaupt wirklich getan habe. Aber jedermann sagt es.«
    »Könnt Ihr Euch an nichts mehr erinnern?«
    »Ich war erregt, nehme ich an. Und ich
hatte Angst um Euch. Dann war da eine Menge Leute mit Waffen, und Ritter
versuchten, mich zurückzuhalten. Da mußt’ ich mich durchhauen.«
    »Das sieht Euch nicht ähnlich.«
    »Ihr glaubt doch nicht etwa, ich hätt’s
gern getan?« fragte er bitter. »Gareth mochte mich mehr als einen seiner
Brüder. Ich war fast so was wie sein Pate. – Ach, lassen wir das, ich bitte
Euch.«
    »Nun gut«, sagte sie. »Ich möcht’ beinah
behaupten, daß er’s so besser hat, der arme Kerl.«
    Lanzelot stieß gedankenverloren mit dem
Fuß gegen den Baumstamm und blickte, einen Arm auf den Kaminsims gestützt, in
die aschige Glut.
    »Er hatte blaue Augen…«
    Er brach ab, sah sie vor sich im Feuer.
    »Als er an den Hof kam, wollte er den
Namen seiner Eltern nicht nennen. Zunächst mal deshalb, weil er von daheim
ausreißen mußte, um kommen zu können. Zwischen seiner Mutter und Arthur
herrschte eine Fehde, und die alte Frau war ganz und gar dagegen, daß er kam.
Aber er konnt’s nicht lassen. Er war auf der Suche nach Romantik und Ritterschaft
und Ruhm. Also ist er fortgelaufen und zu uns gekommen und wollt’ nicht sagen,
wer er war. Er wollte gar nicht unbedingt zum Ritter geschlagen werden. Ihm
genügte es, am großen Mittelpunkt zu sein, bis er seine Stärke bewiesen haben
würde.«
    Er schubste einen hervorspringenden Ast
auf den Rost zurück.
    »Kay ließ ihn in der Küche arbeiten und
gab ihm den Spitznamen ›Schönhand‹. Kay war immer ein Tyrann. Und dann… Ach, es
ist schon so lange her.«
    Schweigen. Beide standen sie, einen
Ellbogen auf dem Kaminsims, einen Fuß zum Feuer hin. Die schwerelose Asche fiel
in sich zusammen.
    »Ich hab’ ihm manchmal ein Trinkgeld
gegeben, damit er sich ein paar Kleinigkeiten kaufen konnte. Pretty Hands,
Beaumains, der Küchenpage. Aus irgendeinem Grunde hat er sich mir
angeschlossen. Ich hab’ ihn mit meinen eigenen Händen zum Ritter geschlagen.«
    Verwundert betrachtete

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