Der König auf Camelot
die
Schuld.«
»Ich seh’ nich’ ein, daß es die Schuld
eines einzelnen sein soll. Es sei denn die meines Bruders. Und der ist jetzt
tot. Aye, da ziehen die letzten ab. Ihr könnt das weiße Gewand der
Königin über dem Gedränge sehn.«
»Soll ich ihr zuwinken?«
»Nein.«
»War’s nicht Rechtens?«
»Nein.«
»Nun, gut. Vielleicht darf ich’s nicht.
Trotzdem war’s hübsch gewesen, irgend etwas zu tun, jetzt, wo sie geht.«
Gawaine wandte sich ihm zu, in plötzlich
aufwallender Herzlichkeit.
»Onkel Arthur«, sagte er, »Ihr seid ein
großer Mann. Ich hab’ Euch ja gesagt: am Ende wird’s gut ausgehn.«
»Auch Ihr seid ein großer Mann, Gawaine.
Ein guter Mann und ein gütiger.«
Sie küßten sich nach altem Brauch fröhlich
auf beide Wangen.
»So«, sagten sie. »So.«
»Und was soll jetzt geschehn?«
»Das liegt an Euch.«
Der alte König schaute sich um, als suche
er das, was jetzt zu geschehen habe. Sein Alter, seine Gebresten waren
verschwunden. Er wirkte gerader. Sein Gesicht war gerötet. Die Krähenfüße um die
Augen strahlten.
»Ich finde, zuerst mal sollten wir einen
guten Schluck nehmen.«
»Ausgezeichnet. Ruft den Pagen.«
»Page! Page!« rief er in der Tür. »Wo
steckst du, zum Teufel? Page! Hier, du Racker, bring uns was zu trinken. Was
hast du gemacht? Zugesehn, wie deine Herrin verbrannt werden sollte? Nun spute
dich.«
Der Knabe stieß einen Juchzer aus und
polterte die Treppe hinunter, die er zur Hälfte erstiegen hatte.
»Und dann – wenn wir getrunken haben?«
fragte Gawaine.
Arthur kam aufgekratzt zurück und rieb
sich die Hände.
»Das habe ich mir noch nicht überlegt. Es
wird sich schon etwas finden. Vielleicht könnten wir’s erreichen, daß Lanzelot
um Vergebung bittet – oder irgendeine Abmachung treffen, so daß er zurückkehren
kann. Wir könnten ihn dahin bringen, zu sagen, er sei im Schlafgemach der
Königin gewesen, weil sie ihn habe kommen lassen, um ihm das Honorar für den
Kampf mit Meliagrance auszuzahlen, für den sie ihn ja engagiert hatte; und sie
habe nicht gewollt, daß es über die Bezahlung ein Gerede gebe. Und überdies
mußte er sie natürlich retten, weil er ja wußte, daß sie unschuldig war. Doch,
ich glaube, wir könnten so etwas arrangieren. Aber in Zukunft werden sie sich
anständig aufführen müssen.«
Gawaines Begeisterung war vor der seines
Onkels geschwunden. Er sprach langsam, die Augen zu Boden gerichtet.
»Ich bezweifle…« begann er.
Der König sah ihn an.
»Ich bezweifle, daß Ihr’s je wieder ganz
ins Lot bringen könnt, solange Mordred am Leben ist.«
Von bleicher Hand wurde der Gobelin am
Eingang beiseitegeschoben; auf der Schwelle stand eine geisterhafte Gestalt, in
halber Rüstung, den ungewappneten Arm in einer Schlinge.
»Niemals«, sagte die Stimme, als habe sie
in einem Drama ihr Stichwort erhalten, »solange Mordred lebt.«
Arthur drehte sich überrascht um. Er
betrachtete die fiebrigen Augen und sagte dann besorgt zu seinem Sohn:
»Ja, aber! Mordred!«
»Ja, Arthur.«
»Sprich nich’ so zum König. Wie kannst du
so was wagen?«
»Sprich du mit mir überhaupt nicht.«
Seine tonlose Stimme hatte den König
erschreckt. Jetzt nahm er sich zusammen.
»Komm«, sagte er freundlich. »Es ist ein
furchtbares Blutbad gewesen. Wir haben’s vom Fenster aus gesehen. Aber es ist
doch besser so, daß deine Tante gerettet wurde und alle Formen des Rechts
gewahrt blieben…«
»Es war ein furchtbares Blutbad.«
Die Stimme war die eines Automaten – doch
höchst bedeutungsschwer.
»Das Fußvolk.«
»Quatsch.«
Gawaine drehte sich um nach seinem Bruder,
gleichsam mechanisch. Sein ganzer Körper drehte sich.
»Mordred«, fragte er schwerfällig,
»Mordred, wo hast du Sir Gareth gelassen?«
»Wo ich die beiden gelassen habe?«
Der Rote schleuderte seine Worte hinaus.
»Äff mich nich’ nach!« schrie er. »Red
nich’ rum wie’n Papagei. Sag, wo sie sind.«
»Geh und sieh nach, Gawaine – auf dem
Platz.«
Arthur sagte fragend: »Gareth und
Gaheris…«
»Liegen auf dem Marktplatz. Es war schwer,
sie zu erkennen – wegen des Bluts.«
»Sie sind doch nicht ernstlich verwundet?
Sie waren unbewaffnet. Sie sind doch nicht verletzt?«
»Sie sind tot.«
»Des Himmels, Mordred.«
»Des Himmels, Gawaine.«
»Sie trugen aber doch keine Rüstung«, warf
der König ein.
Gawaine sagte, mit beängstigender
Betonung: »Mordred, wenn du mich anlügst…«
»… wird der ehrenwerte Gawaine den
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