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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Scham und Schande. Dies sah sie, und
damit half sie ihm auch. Sie küßte ihn behutsam. Draußen begann der tägliche
Singsang.
     
    Feiger Wicht,
    Komm ans Licht!
     Ha! Ha! Ha!
     
    »Laßt sie doch«, sagte sie und strich ihm
über das weiße Haar. »Hört nicht auf sie. Mein Lanzelot muß in der Burg
bleiben, und am Ende wird alles gut.«
     
     

 
    KAPITEL 10
     
     
    »So, Seine Heiligkeit will also Frieden
für sie machen«, sagte Mordred sarkastisch. »Aye.«
    Sie befanden sich im Gerichtssaal, Gawaine
und Mordred, und warteten auf die Schlußphase der Verhandlungen. Beide trugen
Schwarz, mit dem merkwürdigen Unterschied jedoch, daß Mordred vornehm wirkte,
wie eine Art von Hamlet, während Gawaine eher wie ein Totengräber aussah.
Mordred hatte angefangen, sich mit dieser theatralischen Schlichtheit zu kleiden,
seit er der Führer der populären Partei geworden war. Deren Programm war so
etwas wie Nationalismus. Sie forderte die gälische Autonomie sowie ein
Judenpogrom, als Rache für einen mythischen Heiligen namens Hugh of Lincoln.
Tausende waren es bereits, im ganzen Land, die sein Abzeichen trugen: eine
scharlachrote Faust mit einer Peitsche. Sie nannten sich Thrashers –
›Schläger‹. Der Ältere aber, der die Uniform nur seinem Bruder zuliebe trug,
war in echte, tiefe, dunkle Trauer versunken.
    »Stell dir vor«, fuhr Mordred fort. »Wenn
der Papst nicht gewesen wäre, hätten wir diese hübsche Prozession nicht gehabt,
das Ölzweig-Defilee mit dem unschuldigen, lämmchenweiß gekleideten Liebespaar.«
    »Ja, es war eine großartige Prozession.«
    Gawaine war auf den Pfaden der Ironie
nicht sonderlich bewandert, so daß er den Hohn als reine Feststellung nahm.
    »Sie war gut inszeniert.«
    Der ältere Bruder rückte unbehaglich hin
und her, so, als wolle er’s sich leichter machen; zum Schluß jedoch saß er
wieder auf seinem alten Platz.
    Zweifelnd – es klang fast wie eine Frage
oder wie eine Bitte – sagte er: »Lanzelot behauptet in seinen Briefen, daß er
unsern Gareth aus Versehen getötet habe. Er sagt, er hätt’ ihn nich’ erkannt
gehabt.«
    »Das säh’ Lanzelot gerade ähnlich –
unbewaffnete Männer umzulegen, ohne überhaupt nachzusehen, wer sie sind. Dafür
war er immer schon berühmt.«
    Diesmal war die Ironie so dick
aufgetragen, daß sogar Gawaine sie erkannte.
    »Ich tät’ sagen, daß ihm das nicht ähnlich
sieht.«
    »Natürlich nicht! Das sieht Lanzelot
überhaupt nicht ähnlich! Er war immer der preux chevalier, der stets
Menschenleben schonte, der niemals jemanden erschlug, der schwächer war als er
selber. Das hat ihn doch so populär gemacht. Glaubst du, er wäre plötzlich
seinem Prinzip untreu geworden und hätte unbewaffnete Männer blindlings
getötet?«
    Mit einer heldenhaften Bemühung, fair zu
sein, sagte Gawaine: »Ich möcht’ doch meinen, daß er keinen Grund gehabt hat,
sie zu töten.«
    »Grund? War Gareth unser Bruder? Er hat
ihn zur Vergeltung getötet, aus Rache, weil es unsere Familie gewesen ist, die
ihn mit der Königin erwischt hat.«
    Bedachtsamer fügte er hinzu: »Er hat’s
getan, weil Arthur dich gern hat. Und weil er auf deinen Einfluß eifersüchtig
war. Er hat’s genau geplant, um den Orkney-Clan zu schwächen.«
    »Er hat sich selber geschwächt.«
    »Außerdem war er eifersüchtig auf Gareth.
Er hat Angst gehabt, unser Bruder könne ihm ins Gehege kommen. Unser Gareth hat
ihn kopiert, und das paßte ihm nicht, dem preux chevalier. Zwei Ritter
ohne Furcht und Tadel – das darf’s nun mal nicht geben.«
    Den Gerichtssaal hatte man für die
Schlußzeremonie hergerichtet. Solange sich nur die beiden Männer darin
befanden, wirkte er öde. Ihre Sitzordnung war sonderbar: sie saßen auf den
Stufen zum Throne hintereinander, was bedeutete, daß sie sich nicht ansahen.
Mordred sah Gawaines Genick, und Gawaine blickte auf den Boden. Mit einem
Räuspern sagte er:
    »Gareth war der Beste von uns.«
    Hätte er sich schnell umgedreht, wäre ihm
vielleicht die Intensität aufgefallen, mit der er beobachtet wurde. Die Miene
des Jüngeren stimmte nicht mit der Musikalität seiner Stimme überein. Einem
wachsamen Auge wäre nicht entgangen, daß Mordreds Manieren in den vergangenen
sechs Monaten sehr sonderbar geworden waren.
    »Ein guter Kerl«, sagte er. »Und dann wird
er ausgerechnet von dem Mann getötet, dem er vertraut hat.«
    »Das wird mir eine Lehre sein, den Südlern
nich’ zu traun.«
    Mordred änderte das Pronomen,

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