Der König auf Camelot
wir’s auf unsre eigne geringe Weise tun. Bringt die Gefangenen.«
»Sir Gawaine…«
»Blast für Ihre Majestät. Der Hof tagt.«
Beim Volksfestgeschmetter, das von draußen
erwidert wurde, drehten sich alle Köpfe den Türen zu.
Geraschel von Pelz und Seide. Ein Gang
wurde freigemacht. Unterm gewölbten Portal, das jetzt offenstand, warteten
Lanzelot und Ginevra auf ihr Stichwort.
Ihre Aufmachung hatte etwas Pathetisches,
als seien sie für eine Scharade verkleidet, doch nicht ganz passend. Sie trugen
weiße, golddurchwirkte Gewänder, und die Königin, die nicht mehr jung und
lieblich war, hielt ihren Ölzweig ohne Anmut. Scheu kamen sie den Gang herab,
wie Schauspieler, die sich zwar nach Kräften bemühen, aber kein Talent für die
Bühne besitzen. Vor dem Thron knieten sie nieder.
»Mein gefürchteter, erhabener König.«
Mordred bemerkte die Regung von Sympathie.
»Charmant!«
Lanzelot blickte den älteren Bruder an.
»Sir Gawaine.«
Orkney kehrte ihm den Rücken zu.
Er wandte sich an die Kirche.
»Mein Lord of Rochester.«
»Willkommen, mein Sohn.«
»Ich habe Königin Ginevra gebracht – kraft
Befehl des Königs und des Papstes.« Es entstand ein peinliches Schweigen, in welchem
keiner wagte, ihnen weiterzuhelfen.
»Wenn also niemand Antwort gibt, ist’s
meine Pflicht, die Unschuld der Königin von England zu bestätigen und zu
bezeugen.«
»Lügner!«
»Ich bin gekommen, mit meinem Körper dafür
Zeugnis zu leisten, daß die Königin dem König gegenüber redlich, treu, gut und
rein gewesen ist, und dies zu beweisen, nehme ich jede Herausforderung an –
ausgenommen nur den König und Sir Gawaine. Es ist meine Pflicht der Königin
gegenüber, dies Anerbieten zu machen.«
»Der Heilige Vater hat uns aufgetragen,
Euer Anerbieten anzunehmen.« Das Pathos, das im Saale aufkam, wurde zum zweiten
Mal von den Orkneys gestört.
»Pfui auf seine stolzen Worte«, sagte
Gawaine laut. »Was die Königin angeht: sie soll bleiben, und ihr wird vergeben
sein. Du aber, falscher, abtrünniger Ritter, was Ursach’ hattest du, den Bruder
mir zu erschlagen, den Bruder, der dich mehr geliebt als irgendeinen von meiner
Sippe?«
Beide waren, gemäß dem Ort und den
Umständen, in die Hochsprache geschlüpft.
»Es hilft mir nicht, Gott weiß, mich zu entschuldigen,
Sir Gawaine. Eher hätt’ ich meinen Neffen getötet, Sir Bors. Aber ich hab’ sie
nicht gesehn, Gawaine, und ich hab’ dafür bezahlt.«
»Mir und Orkney zum Tort ward es getan.«
»Es reut mich im Herzen«, sagte er, »daß
Ihr so denken könnt, mein edler Herr Gawaine; denn ich weiß, nie wieder werde
ich eines Sinnes mit dem König sein, solange Ihr gegen mich seid.«
»Wahre Worte, Lanzelot. Ihr hattet freies
Geleit, die Königin herzubringen; doch Ihr werdet von hier fortgehn als der
Mörder, der Ihr seid.«
»Vergeb mir Gott, wenn ich ein Mörder
wäre, Herr. Aber ich hab’ keinen je verräterisch erschlagen.«
Der Widerspruch war arglos gemeint, wurde
aber doppeldeutig aufgefaßt. Gawaine schlug mit einer Hand auf seinen Dolch und
rief: »Ich weiß wohl, was Ihr sagen wollt. Ihr meint Sir Lamorak – « Der
Bischof von Rochester hob seinen Handschuh. »Gawaine, können wir diesen Streit
nicht auf eine andre Zeit verschieben? Unsere Aufgabe ist es, die Königin
wieder einzusetzen. Ohne Zweifel wird Sir Lanzelot eine Erklärung der
Vorkommnisse abgeben wollen, so daß die Kirche sich zu einer Aussöhnung
berechtigt sehen mag.«
»Dank Euch, Herr.«
Gawaine warf wütende Blicke um sich, bis
des Königs müde Stimme das Verfahren wieder in Gang brachte. Schwerfällig und
sprunghaft ging’s voran.
»Ihr wurdet bei der Königin angetroffen.«
»Sir, man hat mich zu meiner Dame, Eurer
Königin, holen lassen; zu welchem Zwecke, das vermag ich nicht zu sagen. Doch
war ich kaum in der Tür ihres Gemachs, als schon Sir Agravaine und Sir Mordred
an die Bretter schlugen und mich Verräter nannten und einen abtrünnigen
Ritter.«
»Zu Recht haben sie Euch so genannt.«
»Mein werter Sir Gawaine, durch den
Streit, den sie vom Zaun brachen, haben sie nicht bewiesen, daß sie im Rechte
waren. Ich spreche für die Königin – nicht für mein eigen Ansehen.«
»Wohl, wohl, Sir Lanzelot.«
Der Mißratene Ritter wandte sich an seinen
ältesten Freund, den ersten Menschen, den er von ganzem Herzen geliebt hatte.
Er wechselte aus der Sprache der Ritterschaft in die Umgangssprache.
»Kann man uns nicht vergeben? Können wir
nicht wieder
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