Der König auf Camelot
weitergeben,
König. An Engländer.«
»Du wirst denen in Warwickshire sagen: Ah,
er trug eine wunderfeine Kerze –?«
»Ja doch, werd’ ich wohl.«
»Dann also. Jetzt mußt du geschwind fort,
Tom. Nimm den besten Gaul, den du auftreiben kannst, und reite auf schnellstem
Weg nach Warwickshire.«
»Schnellstens werd’ ich reiten, und so,
daß die Kerze brennt.«
»Gut denn, Tom. Gott segne dich. Vergiß
nicht den dicken Bischof von Rochester, eh du gehst.«
Der kleine Knabe kniete nieder, die Hand
seines Herrn zu küssen. Sein Wappenrock mit dem Zeichen derer von Malory sah
lächerlich neu aus.
»My lord of England«, sagte er.
Arthur hob ihn sanft auf und küßte ihn auf
die Wange.
»Sir Thomas of Warwick«, sagte er – und
der Knabe war fort.
Das Zelt war leer, lohfarben und
prunkvoll. Der Wind jaulte, und die Kerzen tropften. Der alte, uralte Mann
setzte sich an sein Lesepult und wartete auf den Bischof von Rochester. Alsbald
sank sein Kopf auf die Papiere. In den Augen des Windhunds, der ihn
beobachtete, fing sich der Schein der Kerzen; sie leuchteten gespenstisch und
glichen zwei funkelnden Bernsteinen. Mordreds Kanonade, die während der
Dunkelheit bis zur Schlacht am Morgen andauern sollte, begann draußen mit ihrem
dumpfen Dröhnen. Der König, von seiner letzten Anstrengung erschöpft, überließ
sich seinem Kummer. Als die Hand seines Besuchers die Zeltklappe hob, liefen
ihm die Tropfen an der Nase herab und fielen auf das Pergament, gleichmäßig
tickend, wie eine antike Uhr. Er drehte den Kopf zur Seite, da er so nicht
gesehen werden wollte, aber nicht anders konnte. Die Klappe fiel, und die
seltsame Gestalt in Mantel und Hut kam behutsam herein.
»Merlin?«
Doch niemand war da: er hatte ihn sich in
einem Greisenschlummer herbeigeträumt.
Merlin? –
Er begann wieder nachzudenken; aber jetzt
war alles so klar wie eh und je. Er erinnerte sich des betagten Nekromanten,
der ihn erzogen hatte – ihn mit Tieren erzogen hatte. Es gab, so erinnerte er
sich, ungefähr eine halbe Million verschiedener Tierarten, und die Menschheit
war nur eine einzige davon. Natürlich war der Mensch ein Tier – er war doch
keine Pflanze, kein Mineral? Und Merlin hatte ihn über die Tiere belehrt, damit
die eine Spezies etwas lerne, indem sie die Probleme der Tausende von anderen
Arten wahrnimmt. Er erinnerte sich der streitbaren Ameisen, die Grenzen
beanspruchten, und der friedfertigen Wildgänse, die das nicht taten. Er
erinnerte sich seiner Lektion beim Dachs. Er dachte an Lyo-lyok und an die
Insel, die sie auf ihrer Wanderung gesehen hatten: wo all die Papageitaucher,
Tordalken, Trottellummen und Dreizehenmöwen friedlich zusammenlebten und ihre
jeweils eigene Art von Zivilisation ohne Kriege bewahrten – weil sie keine
Grenzen in Anspruch nahmen. Er sah das Problem so deutlich vor sich wie eine
Landkarte. Das Phantastische am Kriege war, daß er um nichts geführt wurde –
buchstäblich um nichts. Grenzen waren imaginäre Linien. Es gab keine sichtbare
Linie zwischen Schottland und England, obwohl Flodden und Bannockburn um
ihretwillen bekriegt worden waren. Geographie war die Ursache – politische
Geographie. Nichts andres war es. Nationen brauchten nicht dieselbe Art von
Zivilisation zu haben, oder die gleiche Art Führer, genausowenig wie die
Papageitaucher und die Trottellummen dies brauchen. Sie mochten ihre eigene
Zivilisation behalten wie die Eskimos und die Hottentotten, wenn sie einander
Handelsfreiheit zugestanden und freie Durchfahrt und Zugang zur Welt. Länder
sollten Landschaften werden – nicht Staaten, sondern offene Provinzen, die
imstande wären, ihre eigene Kultur und die angestammten Gesetze zu bewahren.
Die gedachten Linien auf der Erdoberfläche brauchten nur ungedacht zu sein. Die
luftgeborenen Vögel flogen ja sowieso mit natürlicher Mißachtung darüber
hinweg. Lyo-lyok waren die Grenzen irre vorgekommen – und wie irre erst würden
sie dem Menschen vorkommen wenn er einmal das Fliegen lernen könnte…
Der alte König fühlte sich erfrischt, klar
im Kopfe, fast zu neuem Beginn bereit.
Ein Tag würde kommen – ein Tag mußte
kommen – , da er nach Gramarye zurückkehren würde mit einer runden Tafel, einer
neuen Tafelrunde, die keine Ecken hatte, wie auch die Erde keine hatte – eine
Tafel ohne Grenzen zwischen den Nationen, die dort sitzen und festlich tafeln
würden. Die Hoffnung, dies zu erreichen, würde in der Kultur liegen. Wenn die
Menschen dafür gewonnen
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