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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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tun?«
    »Ich tue, was mir aufgetragen wird.«
    »Dann hör zu. Setz dich ein Weilchen hin,
und ich werde dir eine Geschichte erzählen. Ich bin ein sehr alter Mann, Tom,
und du bist jung. Wenn du alt bist, wirst du das weitererzählen können, was ich
dir heute nacht erzähle; und ich wünsche, daß du das tust. Verstehst du diesen
Wunsch?«
    »Ja. Sir. Ich glaub’ schon.«
    »Erzähle es folgendermaßen. Es war einmal
ein König, der hieß King Arthur. Das bin ich. Als er auf den Thron von England
kam, stellte er fest, daß sich alle Könige und Barone untereinander wie
Wahnsinnige bekriegten, und da sie sich’s leisten konnten, in teuren Rüstungen
zu kämpfen, gab es praktisch nichts, was sie davon hätte abhalten können, das
zu tun, was ihnen gerade beliebte. Sie taten eine Menge schlimmer Dinge, denn
sie lebten gewalttätig. Da hatte dieser König eine Idee, und diese Idee war, daß Gewalt, wenn
überhaupt, nur der Gerechtigkeit wegen angewendet werden dürfe, nicht um ihrer
selbst willen. Höre gut zu. Er dachte, wenn er diese Barone dazu bringen
könnte, für die Wahrheit zu kämpfen und den Schwachen zu helfen und Übeltaten
abzustellen, dann würde ihr Kämpfen vielleicht nicht mehr so schlimm sein, wie
es einst gewesen war. Also versammelte er alle aufrichtigen und gütigen Leute,
die er kannte, und steckte sie in Rüstungen und machte sie zu Rittern und
lehrte sie seine Idee und setzte sie um eine runde Tafel. In den glücklichen
Tagen waren es einhundert und fünfzig, und König Arthur liebte seine Tafelrunde
aus ganzem Herzen. Er war stolzer auf sie als auf sein eigen lieb Weib, und
viele Jahre lang zogen seine neuen Ritter aus, Ungeheuer zu erlegen und Damen
zu retten und arme Gefangene zu befreien und zu versuchen, die Welt wieder in
Ordnung zu bringen. Das war des Königs Idee.«
    »Ich finde, das war eine gute Idee, my
lord.«
    »Das war sie. Und auch wieder nicht. Weiß
der Himmel.«
    »Wie ging’s mit dem König am Ende aus?«
fragte das Kind, als die Geschichte keinen Fortgang zu nehmen schien.
    »Aus irgendeinem Grunde ging alles schief.
Die Tafelrunde zersplitterte in Gruppen, ein erbitterter Krieg begann, und alle
wurden getötet.«
    Der Knabe unterbrach zutraulich.
    »Nein«, sagte er, »nicht alle. Der König
hat gewonnen. Wir werden gewinnen.«
    Arthur lächelte leicht und schüttelte den
Kopf. Er wollte der Wahrheit nicht ausweichen.
    »Alle wurden getötet«, wiederholte er.
»Ein gewisser Page ausgenommen. Ich weiß, was ich sage.«
    »My lord?«
    »Dieser Page hieß Tom aus Newbold Revell
in der Nähe von Warwick, und der alte König schickte ihn bei Strafe
schrecklicher Schande vor der Schlacht fort. Verstehst du: der König wollte,
daß einer übrigbleibe, der sich seiner berühmten Idee erinnern würde. Er wollte
unbedingt, daß der junge Tom nach Newbold Revell heimkehre, wo er zum Manne
heranwachsen und sein Leben im Frieden von Warwickshire leben sollte. Und er
wollte, daß er allen, die zu hören bereit waren, von dieser uralten Idee
erzähle, die sie beide einmal für gut gehalten hatten. Meinst du, das könntest
du, Thomas, um dem König einen Gefallen zu tun?«
    Das Kind sagte mit den reinen Augen
absoluter Wahrhaftigkeit: »Für König Arthur würde ich alles tun.«
    »Du bist ein braver Kerl. Nun hör mal zu,
junger Mann. Bring diese legendären Leute nicht durcheinander. Ich bin’s, der
dir von meiner Idee erzählt. Ich bin’s, der dir befehlen wird, auf der Stelle
nach Warwickshire zu reiten und morgen nicht mit deinem Bogen zu kämpfen.
Verstehst du das alles?«
    »Ja, König Arthur.«
    »Willst du mir versprechen, gut auf dich
achtzugeben? Wirst du nicht vergessen, daß du eine Art Schiff bist, die Idee
weiterzutragen, wenn etwas schiefgeht, und daß die ganze Hoffnung davon
abhängt, daß du am Leben bleibst?«
    »Ich werde es tun.«
    »Mir will’s selbstsüchtig scheinen, dich
dafür zu verwenden.«
    »Eine Ehre ist’s für Euern untertänigen
Pagen, mein lieber Herr.«
    »Thomas, meine Idee mit jenen Rittern war
eine Art von Kerze, wie diese hier. Ich habe sie viele Jahre lang in der einen
Hand getragen und sie mit der anderen vor dem Wind geschützt. Oft hat sie
geflackert. Jetzt übergebe ich diese Kerze dir. Und du wirst sie nicht ausgehn
lassen?«
    »Sie wird brennen.«
    »Gut. Tom, der Lichtbringer. Was hast du
gesagt – wie alt bist du?«
    »Fast dreizehn.«
    »Also vielleicht noch sechzig Jahre. Ein
halbes Jahrhundert.«
    »Ich werde sie an andere

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