Der König auf Camelot
Städte zu verschonen, falls sich ein Gerechter fände? War es
einer? Das trifft selbst heute noch auf den Homo ferox zu, Arthur.«
Die Augen fingen an, ihre Vision genau zu
beobachten.
»Ihr habt meinen Rat zu wörtlich genommen, König.
Nicht an die ursprüngliche Sünde zu glauben, bedeutet nicht, an die
ursprüngliche Tugend zu glauben. Es bedeutet nur, daß Ihr nicht glauben sollt,
die Menschen seien völlig schlecht. Schlecht mögen sie sein, und sogar sehr
schlecht, doch nicht völlig. Sonst, das gebe ich zu, hätten Versuche keinen
Sinn.«
Arthur sagte mit seinem bezaubernden Lächeln: »Das
ist ein guter Traum. Ich hoffe, er dauert lange.«
Sein Lehrer holte seine Brille hervor, putzte sie,
setzte sie auf die Nase und musterte den alten Mann genau. Hinter den Gläsern
schimmerte Genugtuung auf.
»Wenn Ihr das nicht gelebt hättet«, sagte er,
»wüßtet Ihr es nicht. Man muß sein Wissen leben. Wie geht es Euch?«
»Ganz gut. Und Euch?«
»Sehr gut.«
Sie schüttelten sich die Hände, als wären sie sich
gerade erst begegnet.
»Werdet Ihr bleiben?«
»Eigentlich«, antwortete der Magier und putzte sich
heftig die Nase, um seine Freude, vielleicht aber auch seine Zerknirschung zu
verbergen, »werde ich so gut wie gar nicht hier sein. Man hat mich mit einer
Einladung hergeschickt.«
Er faltete sein Taschentuch zusammen und steckte es
zurück in sein Käppchen.
»Habt Ihr Mäuse?« fragte der König mit einem ersten
schwachen Funkeln in den Augen. Seine Gesichtshaut zuckte oder straffte sich
für den Bruchteil einer Sekunde, so daß man darunter, vielleicht in den
Knochen, das sommersprossige, stupsnasige Gesicht eines kleinen Jungen erkennen
konnte, der einst von Archimedes bezaubert gewesen war.
Merlin nahm nachgiebig das Käppchen ab.
»Eine«, sagte er. »Ich glaube wenigstens, es war
eine Maus, aber sie ist teilweise zusammengeschrumpft. Und hier ist offenbar
der Frosch, den ich im Sommer aufgelesen habe. Er ist während der Dürre
überfahren worden, der arme Kerl. Ein perfekter Umriß.«
Er musterte ihn zufrieden, bevor er ihn
zurücklegte, dann schlug er die Beine übereinander und musterte seinen
Gefährten auf die gleiche Weise, wobei er sein Knie mit beiden Händen umfaßte.
»Die Einladung«, sagte er. »Wir hofften, Ihr würdet uns besuchen. Eure Schlacht
kommt bis morgen auch ohne Euch zurecht, nicht wahr?«
»In einem Traum ist nichts wichtig.« Das schien ihn
zu erzürnen, denn er rief ärgerlich: »Ich wollte, Ihr würdet aufhören mit dem
Traumgerede! Wie würde es Euch gefallen, wenn ich Euch einen Traum nennen
würde? Ihr müßt auf andere etwas Rücksicht nehmen.«
»Schon gut.«
»Also zur Einladung. Ihr werdet gebeten, meine
Höhle aufzusuchen, in, die mich die junge Nimue gebracht hat. Erinnert Ihr Euch
an sie? Dort warten ein paar Freunde auf Euch.«
»Das wäre schön.«
»Ich glaube, Eure Schlacht ist vorbereitet, und Ihr
würdet sowieso kaum schlafen. Der Besuch könnte Euch aufmuntern.«
»Nichts ist vorbereitet«, sagte der König. »Aber in
Träumen braucht man sich um nichts zu kümmern.«
Darauf sprang der alte Herr auf, griff sich an die
Stirn, als sei ihm hineingeschossen worden, und hob seinen Stab aus lignum
vitae zum Himmel.
»Barmherzige Mächte! Schon wieder Träume!« Mit
einer würdevollen Geste nahm er seinen konischen Hut ab, warf einen
durchbohrenden Blick auf die bärtige Gestalt gegenüber, die so alt aussah wie
er selbst, und schlug sich als Ausrufezeichen den Stab auf den Kopf. Dann
setzte er sich halb betäubt, weil er seine Kraft unterschätzt hatte.
Der alte König beobachtete
ihn mit steigender Freude. Jetzt, wo er so lebhaft von seinem lange vermißten
Freund träumte, fing er an zu verstehen, warum Merlin immer absichtlich den
Clown gespielt hatte. Es war eine Methode, den Menschen heiter etwas
beizubringen. Allmählich empfand er größte Bewunderung für die altmodische
Tapferkeit seines Lehrmeisters: Trotz Ewigkeiten an Erfahrung half sie ihm, mit
unerschrockener Verschrobenheit weiter zu glauben und neue Versuche zu wagen.
Der Gedanke, daß Güte und Mut überdauern konnten erleichterte ihn. Und mit
erleichtertem Herzen lächelte er, schloß die Augen und schlief wirklich ein.
KAPITEL 2
Als er sie wieder, öffnete,
war es immer noch dunkel. Merlin war da, mißgelaunt kraulte er den Windhund an
den Ohren und murmelte dabei vor sich hin. Früher, als sein Schüler noch ein
Junge war und Wart, die
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