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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Dann gab es einen blinden Dichter, der versuchte, die Wege Gottes vor
den Menschen zu rechtfertigen, und er verglich Arthur mit Adam und fragte sich,
wer der Wichtigere von beiden sei. Zur gleichen Zeit begannen Meister der Musik
wie Purcell und noch später Titanen wie die Romantiker, endlos über unseren
König vor sich hinzuträumen. Männer kamen, die ihn in eine Rüstung wie aus
Efeublättem kleideten und alle seine Freunde zwischen Ruinen und
Brombeergestrüpp umherstehen oder sie mildem milden Hauch eines Kusses auf den
Lippen ohnmächtig werden ließen. Dann war da auch noch Victorias Lord. Die
unwahrscheinlichsten Leute beschäftigten sich mit ihm, Leute wie Aubrey
Beardsley, der seine Geschichte illustrierte. Kurz darauf gab es dann den armen
alten White, der meinte, wir repräsentierten die Ideale der Ritterlichkeit. Er
behauptete, unsere Bedeutung liege in unserem Anstand, in unserem Kampf gegen
den blutrünstigen Geist des Menschen. Der Gute, welch ein Anachronist war er
doch! Verrückt, nach William dem Eroberer anzufangen und im Krieg der Rosen zu
enden… Dann gab es Leute, die den Morte d’Arthur in geheimnisvollen drahtlosen
Wellen ausstrahlten, und andere in einer unentdeckten Hemisphäre, die in
bewegten Bildern so taten, als seien Arthur und Merlin ihre natürlichen Väter.
Die Sache Britanniens! Gewiß waren wir vergessen, Arthur, wenn ein Jahrtausend
und ein halbes Jahrtausend und nochmal tausend Jahre ein Maßstab des Vergessens
sind.«
    »Wer ist dieser
White?«
    »Auch so ein
Bursche«, antwortete der Zauberer gedankenverloren. »Hör nur mal zu, ich will
dir was von Kipling zitieren, ja?« Und der alte Herr fing an, mit Leidenschaft die berühmte Stelle aus Puck
of Pook’s Hill aufzusagen: »›I’ve seen Sir Huon and a troop of bis people
setting off from Tintagel Castle for Hy-Brasil in the teeth of a sou’-westerly
gale, with the spray flying all over the castle, and the Horses of the Hill
wild with fright. Out they’d go in a lull, screaming like gulls, and back
they’d be driven five good miles inland betöre they could come head to wind
again… It was Magic – Magic as black as Merlin could make it, and the whole sea
was green fire and white foam with singing mermaids in it. And the Horses of
the Hill picked their way from one wave to another by the lightning flashes! That was how it was in the old days!‹« *
     
    »Das ist eine
Beschreibung«, fügte er hinzu, als er mit dem Zitat zu Ende war. »Das ist
Prosa. Kein Wunder, daß Dan am Schluß ›Herrlich!‹ rief. Und all das wurde über
uns oder unsere Freunde geschrieben.«
    »Aber Meister, ich verstehe es nicht.« Der Zauberer
stand auf und betrachtete seinen alten Schüler verdutzt. Er drehte seinen Bart
zu mehreren Rattenschwänzen, steckte die Enden in den Mund, zwirbelte seinen
Schnurrbart und ließ die Gelenke in seinen Fingern knacken. Was er dem König
angetan hatte, ängstigte ihn, er kam sich vor, als versuchte er durch
künstliche Beatmung einen Ertrunkenen wiederzubeleben, bei dem es fast zu spät
war. Aber er schämte sich nicht. Als Wissenschaftler muß man ohne Reue seinen
Weg gehen und den einzigen Gegenstand von Bedeutung verfolgen, die Wahrheit.
Später sagte er leise, als spräche er zu einem Schlafenden:
    »Wart?«
    Es kam keine Antwort.
    »König?«
    Die bittere Entgegnung lautete: »Le roy
s’advisera.«
    Es war schlimmer, als er gefürchtet hatte. Er
setzte sich, griff nach der schlaffen Hand und versuchte es mit Überredung.
    »Ein letzter Versuch«, bat er. »Wir sind noch nicht
ganz fertig.«
    »Was nützen Versuche?«
    »Die Menschen unternehmen sie dennoch.«
    »Dann sind die Menschen Narren.«
    Der Alte antwortete freimütig: »Die Menschen sind
Narren, und außerdem sind sie schlecht. Deshalb ist es so interessant, sie zu
bessern.«
    Sein Opfer öffnete die Augen und schloß sie wieder
erschöpft.
    »Was Ihr gedacht habt, bevor ich kam, König, war
richtig. Ich meine das über den Homo ferox . Aber Falken sind ebenfalls ferae
naturae – das ist ihr Vorteil.«
    Die Augen blieben geschlossen.
    »Was Ihr außerdem gedacht habt… daß die Menschen
Maschinen seien: Das war nicht richtig. Oder wenn es richtig ist, hat es keine
Bedeutung. Denn wenn wir alle Maschinen sind, brauchen wir uns um keinen zu
kümmern.«
     »Ich verstehe.«
    Merkwürdigerweise verstand er es wirklich. Und
seine Augen öffneten sich und blieben offen.
    »Erinnert Ihr Euch an den Engel in der Bibel, der
bereit war, ganze

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