Der König auf Camelot
werden könnten, zu lesen und zu schreiben, statt nur zu
essen und sich zu begatten, dann gäbe es immer noch eine Chance, daß sie zur
Vernunft kämen.
Jetzt aber war es für einen neuen Anlauf
zu spät. Diesmal war es seine Bestimmung zu sterben oder, wie manche sagen,
nach Avilion gebracht zu werden, wo er auf bessere Tage warten mochte. Diesmal
war’s Lanzelots Schicksal und Ginevras, Tonsur und Schleier zu nehmen, während
Mordred erschlagen werden mußte. Das Geschick dieses Mannes oder jenes Mannes
war weniger als ein Tropfen, ein hellauf funkelnder Tropfen in der großen
blauen Bewegung der sonnenbeschienenen See.
Die Kanonen seines Gegners zerfetzten
dröhnend den Morgen. Da machte die Majestät von England sich auf, der Zukunft
mit friedvollem Herzen zu begegnen.
EXPLICIT
LIBER REGIS QUONDAM REGISQUE FUTURI
ANFANG
Fünftes
Buch:
Das Buch
Merlin
Er überlegte
ein Weilchen und sagte:
»Ich habe
die Erfahrung gemacht,
daß
Zoologische Gärten
vielen
meiner Patienten wohltun.
Ich würde
Mr. Pontifex
einen Kursus
Höhere Säugetiere verordnen.
Laßt ihn
nicht glauben,
er nehme sie
als Medizin…«
KAPITEL 1
Es war nicht der Bischof
von Rochester.
Der König wandte den Kopf ab, es interessierte ihn
nicht, wer da gekommen war. Er schämte sich der Tränen, die schwerfällig über
seine schlaffen Wangen rannen, doch er war zu niedergeschlagen, um sie
zurückzuhalten. Störrisch wich er dem Licht aus, mehr konnte er nicht tun. Er
hatte das Stadium erreicht, in dem es nicht mehr der Mühe wert ist, das Elend
eines alten Mannes zu verbergen. Merlin setzte sich neben ihn und griff nach
der müden alten Hand; darauf flossen die Tränen rascher. Der Zauberer
streichelte die Hand, er hielt sie ruhig mit einem Daumen über den blauen Venen
und wartete darauf, dass das Leben wieder zu Kräften kam.
»Merlin?« fragte
der König.
Er schien nicht
überrascht zu sein.
»Seid Ihr ein
Traum?« fragte er. »In der vergangenen Nacht habe ich geträumt, Gawaine sei mit
ein paar schönen Damen zu mir gekommen. Er sagte, sie dürften ihn begleiten,
weil er sie zu Lebzeiten gerettet habe, und sie wollten uns warnen, dass wir
morgen alle getötet würden. Dann hatte ich einen anderen Traum, in dem ich auf
einem Thron saß, der oben auf ein Rad gebunden war, und das Rad drehte sich
herum, und ich wurde in eine Schlangengrube geworfen.«
»Das Rad hat
einen vollen Kreis gedreht: Ich bin hier.«
»Seid Ihr ein
böser Traum?« fragte er. »Wenn ja, dann quält mich nicht.«
Merlin hielt
immer noch die Hand. Er strich über die Venen und versuchte, sie ins Fleisch
sinken zu lassen. Er tröstete die schuppige Haut, tränkte sie in
geheimnisvoller Konzentration mit Leben und stärkte ihre Spannkraft. Er
versuchte den Körper unter seinen Fingerspitzen geschmeidig zu machen, half dem
Blut zu kreisen, gab den geschwollenen Gelenken Frische und Glätte, sagte aber
nichts. »Ihr seid ein guter Traum«, sagte der König. »Ich hoffe, ich kann Euch
weiterträumen.«
»Ich bin
überhaupt kein Traum. Ich bin der Mann, an den Ihr Euch erinnert habt.«
»Oh, Merlin, es
ist so schlimm geworden, seit Ihr mich verlassen habt! Alles, was ich mit Eurer
Hilfe getan habe, war falsch. Alle Eure Lehren waren Trug. Nichts hat sich
gelohnt. Ihr und ich werden vergessen sein wie Menschen, die nie gelebt haben.«
»Vergessen?« fragte
der Zauberer. Er lächelte ins Kerzenlicht und schaute sich im Zelt um, als
wollte er sich vergewissern, daß die Felle und der schimmernde Panzer und die
Gobelins und die Pergamente noch da waren. »Es lebte ein König«, sagte er,
ȟber den Nennius und Geoffrey of Monmouth geschrieben haben. Der Archidiakon
von Oxford soll sich ebenso an ihm versucht haben wie dieser prächtige Narr
Gerald the Welshman. Brut, Layamon und all die anderen: wie viele Lügen haben
sie aufgebracht! Manche behaupteten, er sei ein blau gefärbter Brite gewesen,
andere, er habe den Kettenpanzer getragen, um den normannischen
Romanzendichtern besser in den Kram zu passen. Gewisse schwerfällig polternde
Deutsche haben ihn aufgeputzt, damit er mit ihren langweiligen Siegfrieds
wetteifern konnte. Andere preßten ihn in einen Plattenpanzer wie Euer Freund
Thomas of Hutton Coniers, und wieder andere, vor allem ein romantischer
Elisabethaner namens Hughes, erkannten sein außerordentliches Problem mit der
Liebe.
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