Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
wie keine Empfehlung. Der Erde den Himmel
anzuraten, war nutzlos.
    Eine weitere ausgetretene Kreisbahn drehte
sich vor ihm. Vielleicht war Krieg eine Folge von Angst, eine Auswirkung der
Furcht vor Unzuverlässigkeit. Es mußte eine Wahrheit geben, und die Menschen
mußten die Wahrheit sagen; ohne Treu und Glauben war alles voller Gefahr, was
sich außerhalb des Individuums befand. Sich selber sagte man die Wahrheit – für
seinen Nachbarn jedoch konnte man sich nicht verbürgen. Diese Ungewißheit läßt
den Nachbarn allmählich zu einer Bedrohung werden. So hätte jedenfalls Lanzelot
sich das Entstehen des Krieges erklärt. Er hatte immer gesagt, des Menschen
wichtigster Besitz sei sein Wort. Armer Lanz – er hatte sein eignes Wort
gebrochen (obgleich es wenige Menschen jemals gab, deren Wort so viel wert war
wie das seine).
    Vielleicht brachen Kriege aus, weil die
Völker kein Vertrauen in das Wort hatten. Sie hatten Angst, also kämpften sie.
Völker waren wie einzelne Menschen – sie hatten Gefühle der Unterlegenheit oder
der Überlegenheit, der Rache oder der Furcht. Zu Recht wurden Nationen
personifiziert.
    Argwohn und Angst, Besitzerstolz und
Habgier, Ärger über Untaten der Vorfahren – all dies schien daran beteiligt.
Und doch war’s nicht die Lösung. Er sah keine wahre Lösung. Er war zu alt und
zu müde und zu elend, um konstruktiv zu denken. Er war nur ein Mensch, der es
gut gemeint hatte, der von einem exzentrischen Geisterbeschwörer mit
humanitärem Tick auf diese Denkfährte gesetzt worden war. Gerechtigkeit war
sein letzter Versuch gewesen – nichts zu tun, was nicht gerecht war. Aber es
war ein Fehlschlag geworden. Überhaupt etwas zu tun – das hatte sich als zu
schwierig erwiesen. Nun war er selber am Ende.
    Arthur bewies, daß er doch noch nicht ganz
erledigt war, indem er den Kopf hob. Etwas Unbezwingbares war in seinem Herzen,
etwas Unbesiegbares, eine Spur von Größe in der Einfachheit. Er richtete sich
auf und griff nach der eisernen Glocke.
    »Page«, sagte er, als der Knabe, sich die
Augen reibend, hereingetrabt kam.
    »My lord.«
    Der König sah ihn an. Trotz seiner eigenen
Not war er noch in der Lage, die Nöte anderer zu erkennen, besonders dann, wenn
die anderen frisch oder anständig waren. Als er den zusammengebrochenen Gawaine
getröstet hatte, war er derjenige gewesen, welcher der Tröstung bedurft
hätte.
    »Mein armes Kind«, sagte er, »du gehörtest
ins Bett.«
    Er betrachtete den Jungen mit mühsamer,
müder Aufmerksamkeit. Es war lange her, seit er solch jugendliche Unschuld,
Gewißheit und Gradlinigkeit gesehen hatte.
    »Schau her«, sagte er. »Bringst du dem
Bischof dies Schreiben? Aber weck ihn nicht auf, wenn er schläft.«
    »My lord.«
    »Dank dir.«
    Als der lebhafte Knabe verschwand, rief er
ihn zurück.
    »Page!«
    »My lord?«
    »Wie heißt du?«
    »Tom, my lord«, sagte er höflich.
    »Und wo bist du zu Hause?«
    »In der Nähe von Warwick, my lord.«
    »In der Nähe von Warwick.«
    Der alte Mann schien sich die Gegend
vorstellen zu wollen, als sei sie das Irdische Paradies oder ein Land, das
Mandeville beschrieben hat.
    »In einem Ort namens Newbold Revell. Es
ist hübsch dort.«
    »Und wie alt bist du?«
    »Im November werd’ ich dreizehn, my
lord.«
    »Und ich habe dich die ganze Nacht
wachgehalten.«
    »Nein, my lord. Ich hab’ eine ganze
Zeitlang auf einem der Sättel geschlafen.«
    »Tom aus Newbold Revell«, sagte der König
mit einiger Verwunderung. »Wir scheinen eine Menge Leute hineingezogen zu
haben. – Sag mal, Tom, was hast du morgen vor?«
    »Ich werde kämpfen, Sir. Ich hab’ einen guten
Bogen.«
    »Und wirst du mit deinen Pfeilen Menschen
töten?«
    »Ja, my lord. Eine Menge, hoff’
ich.«
    »Und wenn sie nun dich töten?«
    »Dann bin ich tot, my lord.«
    »Verstehe.«
    »Soll ich jetzt den Brief hinbringen?«
    »Nein, warte noch ein bißchen. Ich möchte
mit jemandem reden. Aber mein Kopf ist durcheinander.«
    »Soll ich ein Glas Wein holen?«
    »Nein, Tom. Setz dich und versuche
zuzuhören. Nimm die Schachfiguren vom Hocker. Kannst du gewisse Dinge
verstehen, wenn man sie dir sagt?«
    »Ja, my lord. Im Verstehen bin ich
gut.«
    »Könntest du’s verstehen, wenn ich dich
bäte, morgen nicht zu kämpfen?«
    »Ich möcht’ aber gern kämpfen«, sagte er
tapfer.
    »Alle wollen sie kämpfen, Tom, aber keiner
weiß, warum. Was würdest du sagen, wenn ich dich bäte, nicht zu kämpfen – dem
König zuliebe? Würdest du das

Weitere Kostenlose Bücher