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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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ihm ein weiteres: Wenn er sich dem westwärts marschierenden Strom
anschloß, hatte er seine Kropfladung in eine Speisekammer oder etwas Derartiges
zu entleeren. Während der Arbeit unterhielten sich die Mitglieder des
Zuckertrupps. Zuerst hielt er das für ein gutes Zeichen und hörte zu, um etwas
mitzubekommen. »Ei horch!« sagte eine Ameise zum Beispiel. »Da kommt wieder
dies Mammy-Mammy-Mammy-Mammy. Ich pfinde würklich, das Lied
Mammy-Mammy-Mammy-Mammy ist großartig (getan). Ist ganz große Klasse (getan).«
    Eine andere bemerkte:
»Ich pfinde, unsre gelibte Pführerin ist würklich wunnerbar, pfindet ihr nicht?
Ich habe gehört, im lötzten Krieg ist sie dreihunnertmal gestochen worden und
hat das Ameisenkreuz pfür Tafferkeit gekriegt.«
    »Was haben wir pfür
Glück gehabt, daß Sanguinea-Blut in unsren Adern pfließt, pfindet ihr nicht?
Wie tschrecklich, wenn wir zu den tscheußlichen Formicae fuscae gehören
würden!«
    »War das mit
310.099/WD nicht vielleicht pfurchtbar?! Nathürlich ist sie auf Befehl hunserer
geliebten Pführerin gleich hexekutiert worden, als sie sich weigerte, ihren
Sirup zu entkropfen.«
    »Ei horch! Da kommt
wieder dies Mammy-Mammy-Mammy-Mammy. Ich pfinde würklich …«
    Er ging mit vollem
Kropf zum Nest und ließ sie ihren Rundgesang alleine singen. Sie hatten keine
Neuigkeiten, keine Skandale, nichts, worüber sie reden konnten. Sogar die
Bemerkungen bezüglich der Hinrichtungen waren eine starre
Formel, in der allenfalls die Registriernummer der Kriminellen ausgetauscht
wurde. Wenn sie mit dem Mammy-Mammy-Mammy-Mammy fertig waren, ging es
zwangsläufig zu ihrer geliebten Führerin weiter und dann zu den scheußlichen fuscae und zur letzten Hinrichtung. Es war ein ewiger Kreislauf. Und alle
Geliebten, Herrlichen, Glücklichen und dergleichen waren ›getan‹, und die
Scheußlichen und Schrecklichen waren ›nicht-getan‹. Auf einmal befand er sich
in der Haupthalle der Festung, wo Hunderte und Aberhunderte von Ameisen in den
Kinderstuben fütterten oder leckten, Larven in verschiedene Gänge trugen und
die Ventilationskanäle öffneten oder schlossen, um eine gleichmäßige Temperatur
zu gewährleisten. In der Mitte saß selbstzufrieden die riesige Führerin, legte
Eier, widmete sich dem Funksprechverkehr, erließ Anordnungen oder verfügte
Hinrichtungen und war von einem Meer von Schmeichelei umgeben. (Später erfuhr
er von Merlin, daß das Problem der Thronfolge je nach Spezies verschieden
gelöst wird. Bei den Bothriomyrmex, zum Beispiel, überfällt die
ehrgeizige Gründerin eines Neuen Ordens ein Nest der Tapinoma und
springt der älteren Tyrannin auf den Rücken. Vom Geruch der Unterlegenen
verborgen und geschützt, sägt sie alsdann gemächlich deren Kopf ab, bis sie das
Recht auf die Führerschaft erlangt hat.)
    Indessen gab es keine
Speisekammer, wo er seine Ladung Sirup hätte unterbringen können. Er stellte
fest, daß er wie ein lebender Automat zur Bedienung der Innenarbeiterinnen
umhergehen mußte. Wer immer Hunger hatte, hielt ihn an, ließ ihn den Mund
öffnen und langte zu. Sie behandelten ihn nicht wie eine Person, und sie selbst
waren, in der Tat, auch keine Personen. Er war eine Maschine, aus der Maschinen
sich bedienten. Nicht einmal sein Magen gehörte ihm.
    Aber wir brauchen uns
in keine weiteren Ameisen-Einzelheiten zu verlieren – es ist kein erfreuliches
Thema. Er lebte geduldig unter ihnen, paßte sich ihren Bräuchen an, beobachtete
sie, um soviel wie möglich verstehen zu lernen, ohne jedoch Fragen stellen zu
können. Nicht nur, daß ihre Sprache nicht über die Wörter und Begriffe
verfügte, die für ihn von Interesse waren (so daß es von vornherein unmöglich
war, sie zu fragen, ob sie ans Leben glaubten, an die Freiheit, an das Streben
nach Glück), nein, es war auch gefährlich, überhaupt irgendwelche Fragen zu
stellen. Eine Frage war für sie das Zeichen von Wahnsinn, denn ihr Leben war
nicht fraglich: es war diktiert. Er krabbelte vom Nest zum Sirup und wieder
zurück, er fand das Mammy-Lied würklich wunnerbar, er öffnete seine Kiefern, um
den Sirup zu spenden, und gab sich Mühe, so viel zu begreifen wie möglich.
    Allmählich war ihm so
komisch zumute, daß er am liebsten geschrien hätte – da kam eine riesige Hand
aus den Wolken herab, die eine Binse hielt. Sie legte die Binse zwischen die
beiden Nester, die zuvor getrennt gewesen waren, so daß es jetzt eine Brücke
zwischen ihnen gab. Dann verschwand die

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