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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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nicht – sie akzeptierten sie nur als
›getan‹. Nun, Sklaven – der Krieg rückte näher. Die Vorbereitungen liefen wie
am Schnürchen, die Soldaten waren durchtrainiert bis zum letzten, die Mauern
der Nestburg trugen patriotische Aufschriften wie STICHE ODER SIRUP? und GELOBT
SEI MEIN GERUCH! – und der König ließ alle Hoffnung fahren. Er meinte, noch nie
unter so entsetzlichen Geschöpfen gewesen zu sein, außer zu der Zeit, als er
unter den Menschen gelebt hatte, und er wurde fast krank vor Ekel. Die stets
sich wiederholenden Stimmen in seinem Kopf, die er nicht abschalten konnte; die
mangelnde Privatsphäre, die allgegenwärtige Öffentlichkeit, die es anderen
erlaubte, sich aus seinem Magen zu bedienen, während wieder andere in seinem
Hirnkasten sangen; diese öde Leere, die das Gefühl ersetzte; die Abwesenheit
jeglicher Wertung außer den zwei stereotypen; die absolute Monotonie mehr noch
als die Bosheit – all dies hatte die Lebensfreude zum Absterben gebracht, die
Merlins Geschenk zum Beginn des Abends gewesen war. Wieder war er so
unglücklich wie in dem Augenblick, als der Zauberer ihn weinend über seinen
Papieren gefunden hatte, und jetzt, wo die Rote Armee endlich in den Krieg zog,
machte er plötzlich mitten auf der Binsenbrücke kehrt wie ein Wahnsinniger,
bereit, mit seinem Leben ihren Marsch zu verhindern.
     
     
     
     
    KAPITEL 10
     
     
    »Grosser Gott«, sagte Merlinund tupfte sich mit einem Taschentuch
die Schweißperlen von der Stirn, »Ihr habt wirklich ein Talent, Euch in Schwierigkeiten
zu bringen. Das war knapp.«
    Die Tiere betrachteten ihn besorgt und
schauten, ob irgendwelche Knochen gebrochen waren. »Seid Ihr noch heil?«
    »Absolut.«
    Sie stellten fest, daß er entsetzlich
wütend war. Seine Hände zitterten vor Zorn. »Die Untiere!« rief er aus. »Die
Untiere!«
    »Sie sind nicht sehr angenehm.«
    »Es hätte mir nichts ausgemacht«, brach es
aus ihm heraus, »wenn sie gemein gewesen wären – wenn sie gemein sein wollten.
Es hätte mir nichts ausgemacht, wenn sie sich entschlossen hätten, aus
irgendeinem Grund, vielleicht auch nur zum Spaß, gemein zu sein. Aber sie
hatten keine Ahnung, sie hatten sich zu nichts entschlossen. Sie – sie – sie
existierten nicht!«
    »Setzt Euch«, sagte der Dachs, »und ruht
Euch aus.«
    »Die entsetzlichen Geschöpfe! Es war, wie
wenn man zu Steinen
redet, die sich bewegen, wie wenn man Statuen oder Maschinen anspricht. Wenn
man etwas sagte, was der Mechanismus aufnahm, dann funktionierte es; wenn
nicht, dann nicht, dann standen sie still, waren leer, ausdruckslos. O Merlin,
wie abscheulich! Sie waren wie wandelnde Tote. Wann sind sie gestorben? Hatten
sie je irgendwelche Gefühle? Jetzt haben sie keine. Sie waren wie die Tür im
Märchen, die sich öffnete, wenn man sagte: ›Sesam, öffne dich.‹
    Ich glaube, sie kannten nur etwa ein
Dutzend Worte oder Wortsammlungen. Ein Mensch, der die beherrscht, könnte sie
zu allem veranlassen, wozu sie fähig sind, und dann… Dann müßte man wieder von
vorn anfangen! Wieder und wieder und wieder! Es war wie ein Leben in der Hölle.
Nur daß keine von ihnen wußte, daß sie dort waren. Keine von ihnen wußte
überhaupt etwas. Gibt es etwas Schrecklicheres als unaufhörliche Bewegung, als tun
und tun und tun ohne Grund, ohne Bewußtsein, ohne Veränderung, ohne Ende?«
    » Ameisen sind das Perpetuum mobile«, sagte Merlin, »ich
glaube es wenigsten. Ich habe noch nie daran gedacht.«
    »Am entsetzlichsten fand ich, daß sie wie
Menschen waren – nicht menschlich, sondern wie Menschen, wie eine schlechte
Kopie.«
    »Das ist nicht überraschend. Die Ameisen
entschlossen sich in der unendlichen Vergangenheit für die politische Linie,
mit der heute die Menschen liebäugeln. Vor dreißig Millionen Jahren
perfektionierten sie diese Politik, so daß keine weitere Entwicklung mehr
möglich war, und seither blieben sie im selben Stadium. Die Evolution endete
für die Ameisen so um 30.000.000 Jahre vor Christi Geburt. Sie haben den
vollkommenen kommunistischen Staat.« Hier hob Merlin fromm den Blick zur Decke
und bemerkte: »Mein alter Freund Marx mag ein erstklassiger
Wirtschaftswissenschaftler gewesen sein; doch, beim Heiligen Geist, er war, der Jungfrau
sei’s geklagt, der letzte Versager in der Naturgeschichte.«
    Dachs, der immer jeden in freundlichem
Licht sah, selbst Karl Marx – der im Umgang mit seinen Materialien übrigens die
gleiche Klarheit an den Tag legte wie der Dachs –,

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