Der König auf Camelot
Kommando eines Großvaters, oder auch eines Urgroßvaters,
oder aber eines weithin bekannten und geachteten Führers. Sobald die Züge
komplett waren, kam ein leiser Ton der Erregung in ihre Unterhaltung. Sie
fingen an, ihre Köpfe ruckartig von einer Seite zur anderen zu bewegen. Dann drehten
sie sich in den Wind und waren plötzlich allesamt in der Luft, vierzehn oder
vierzig zugleich; ihre weitgespannten Flügel schöpften die Schwärze aus, und in
ihren Schreien klang Triumph mit. Sie wendeten, stiegen steil auf und waren den
Blicken entschwunden. In zwanzig Schritt Höhe waren sie nicht mehr zu sehen.
Die ersten Gruppen zogen lautlos ab; sie schwiegen, solange die Sonne nicht
schien; nur gelegentlich gab es eine Bemerkung oder einen einzelnen Warnruf,
wenn Gefahr drohte. Wurde gewarnt, stiegen sie sogleich senkrecht gen Himmel.
Er verspürte ebenfalls eine gewisse Unruhe. Die grauen Heere rings umher, die
sich Minute für Minute in die Lüfte erhoben, steckten ihn mit ihrer Reiselust
an. Er hätte es ihnen allzu gerne gleichgetan, aber er scheute sich.
Möglicherweise würden diese Familienverbände ihn als unerwünschten Eindringling
betrachten. Andererseits wollte er nicht abseits stehen; er wollte mitmachen
und am Morgenflug teilnehmen, der offensichtlich große Wonne bereitete. Es
herrschte Kameradschaft, freie Disziplin und joie
de vívre. Als die Gans neben ihm ihre
Flügel lüpfte und sprang, tat er es ihr automatisch gleich. Etwa acht in der
Nähe hatten mit den Schnäbeln geruckt, was er nachmachte, als sei solch ein Tun
ansteckend, und auf einmal befand er sich mit diesen acht zusammen schwebend in
der waagrechten Luft. In dem Augenblick, da er den Erdboden verließ, verschwand
der Wind. Dessen Ruhelosigkeit und Brutalität hatten ganz plötzlich aufgehört,
wie mit dem Messer abgeschnitten. Er war im Wind und wunschlos.
Die acht Wildgänse formierten sich in
Kiellinie, mit genau gleichem Abstand, und er bildete den Schluß. Sie wandten
sich gen Osten, wo die kümmerlichen Lichter gewesen waren. Und jetzt stieg vor
ihnen kühn die Sonne auf. In der schwarzen Wolkenbank weit hinter dem Land
entstand ein Riß aus Zinnober und Orange. Das Leuchten breitete sich aus; die
Salzmarsch unter ihnen wurde sichtbar. Er sah sie wie ein gestaltloses Moor,
das zufällig maritim geworden war – das Heidekraut, das noch wie Heide aussah,
hatte sich mit dem Seetang zusammengetan und war nun salzfeuchtes Heidekraut
mit schlüpfrig-glitschigem Grün. Die Brandstreifen, die sich durchs Moor hätten
ziehen sollen, bestanden aus Meerwasser auf bläulichem Schlick. Hier und dort
waren an Stangen lange Netze ausgespannt, um unaufmerksame Gänse zu fangen.
Daher also die Warnrufe. In einem Netz hingen zwei oder drei Pfeifenten, und
weit weg von Osten her stapfte fliegenklein ein Mann durch den Schlick, zäh und
verbissen, um seine Jagdstrecke einzusammeln.
Die Sonne stieg und färbte das Quecksilber
der Priele und den glimmenden Schlamm mit Flammenfarben. Die Brachvögel, die
lange vor Hellwerden ihre Klagelieder angestimmt hatten, flogen jetzt von ihren
Weidebänken auf. Die Pfeifenten, die auf dem Wasser geschlafen hatten, strichen
ab und pfiffen ihren Doppellaut wie Silvester-Schwärmer. Die Stockenten plagten
sich vom Land her gegen den Wind. Die Rotschenkel huschten wie Mäuse umher und
stöberten im Schlick. Eine Wolke winziger Alpenstrandläufer, dichter als ein
Starenschwarm, wendete in der Luft mit dem Getöse einer Eisenbahn. Das
Krähengesindel erhob sich fröhlich kreischend aus den Kiefern in den Dünen.
Strandvögel jeder Art bevölkerten den Gezeitensaum, schön und geschäftig.
Das Morgenrot, die Meeresdämmerung, die
Meisterschaft geordneten Fliegens: all dies war von derart eindringlicher
Schönheit, daß er das Gefühl hatte, singen zu müssen. Alle sorgenvollen
Gedanken über den Menschen, die armseligen Wünsche nach Frieden, die ihn vor
kurzem im Kommunikationsraum bedrängt hatten, fielen vorübergehend von ihm ab
im Glück seiner Schwingen. Eine Hymne an das Leben wollte er singen, und da
tausend Gänse um ihn her im Flug waren, brauchte er nicht lange zu warten. Die
Formationen dieser Geschöpfe, die, der Sonne zugewandt, wie Rauchschwaden am
Himmel wogten, stimmten zugleich Gesang und Gelächter an. Jedes einzelne
Geschwader war im Ausdruck ein wenig verschieden – übermütig,
jubilierend-triumphierend, gefühlvoll oder fröhlich-heiter. Die gewaltigen Gewölbe
des Tagesanbruchs füllten sich
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