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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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mit Herolden, und dies war ihr Lied:
     
    Du rollend Weltenrad und Uhrwerk
sondergleichen
    Dreh du ans Firmament der Sonnen
Zauberzeichen.
     
    Auf jeder Brust, seht hin, der Morgenrot
Frohlocken,
    Es jauchzt aus jeder Kehl Posaun und Spiel
der Glocken.
     
    Der wilden Vögel Zug zeucht aus den
dunklen Stunden,
    Ein dämmernd Waidgefolg von Hengsten und
von Hunden.
     
    Frei, frei; fern, fern; schön schwebend
auf Schwingen
    naht Anser albifrons mit Klingen und
Singen.
     
     
     
     
     
     
    KAPITEL 13
     
     
    Er befand sich auf einer struppigen Wiese;
es war Tag. Seine Fluggefährten weideten um ihn her; sie rupften das Gras mit
seitlich gedrehten, weichen, kleinen Schnäbeln und verbogen dabei – im
Gegensatz zu den anmutigen Bewegungen der Schwäne – grotesk ihre Hälse. Wenn
sie weideten, stand einer stets Wache, mit hoch erhobenem Kopf, einer Schlange
ähnlich. Sie hatten sich während der Wintermonate gepaart, vielleicht schon in
früheren Wintern, so daß sie innerhalb des Familienverbandes und des
Geschwaders meist paarweise grasten. Die junge Gänsin, seine Nachbarin aus dem
Wattenmoor, stand in ihrem ersten Lenz. Sie behielt ihn fürsorglich im Auge.
Der alte Mann, der noch um seine Jugend wußte, beobachtete sie heimlich und
konnte nicht umhin, sie schön zu finden. Er empfand sogar eine gewisse
Zärtlichkeit für ihre daunige Brust, die noch nichts von Käfiggittern wußte,
für ihre dralle, kompakte Gestalt und die hübsche Fiederung im Genick. Diese
Fiederung wurde, wie er verstohlen konstatierte, durch einen Unterschied im
Federbesatz bewirkt. Die Federn waren konkav, was sie voneinander trennte, und
hierdurch entstand ein Gefüge von Feder-Kämmen, das ihn reizvoll dünkte.
    Alsbald gab ihm die junge Gänsin einen
Stups mit dem Schnabel. Sie hatte Posten gestanden. »Los doch«, sagte sie
burschikos, »du bist dran.« Sie senkte den Kopf, ohne auf eine Antwort zu
warten, und machte sich mit der gleichen Bewegung ans Weiden, wobei sie sich
von ihm entfernte.
    Er hielt Wache. Er wußte nicht, wonach er
Ausschau halten sollte; auch sah er keinen Feind; er sah nur Grasbüschel und
seine knabbernden Gefährten. Aber er hatte nichts dagegen, mit dem Amt des
Wachtpostens betraut worden zu sein. Überrascht stellte er fest, daß er nichts
dagegen hatte, männlich zu wirken – für den Fall, daß sie ihn beobachtete.
Trotz seiner Jahre war er immer noch zu unschuldig, um zu wissen, daß sie das
ganz bestimmt tat. »Was machst du?« fragte sie, als sie eine halbe Stunde
später an ihm vorbeikam. »Ich schiebe Wache.«
    »Na, nun mach’s halblang«, sagte sie kichernd
oder gickernd oder gackernd. »Du spinnst!«
    »Wieso?«
    »Das weißt du genau.«
    »Nein«, sagte er, »bestimmt nicht. Mach’
ich’s nicht richtig? Ich versteh’ nicht.«
    »Hack den nächsten. Du stehst doch schon
mindestens doppelt so lang wie nötig.«
    Er tat, wie sie gesagt hatte, woraufhin
der neben ihm grasende Ganter Posten bezog; er selbst weidete mir ihr weiter.
Sie knabberten Seite an Seite und beobachteten sich mit Perlaugen, bis er zu
einer Entscheidung kam. »Du hältst mich für dumm«, sagte er scheu, und zum
ersten Mal gab er einem Tier gegenüber das Geheimnis seiner Spezies preis: »…
aber das kommt daher, daß ich keine Gans bin. In bin als Mensch auf die Welt
gekommen. Das hier ist mein erster Flug mit den Grauen.« Sie war nur leicht
überrascht.
    »Das ist ungewöhnlich«, sagte sie. »Meist
versuchen sich die Menschen als Schwan. Zuletzt hatten wir die Children of Lir.
Aber wir sind wohl doch allesamt anseriformes. «
    »Von den Children of Lir hab’ ich schon
gehört.«
    »Denen hat’s nicht gefallen. Sie waren
hoffnungslos nationalistisch und religiös und klebten deshalb dauernd in der
Nähe irgendeiner Kapelle in Irland. Man könnte fast sagen, sie hätten die
anderen Schwäne gar nicht richtig bemerkt.«
    »Mir gefällt’s«, sagte er höflich. »Das
hab’ ich mir gedacht. Wozu bist du hier?«
    »Um etwas über die Welt zu lernen.« Sie
weideten schweigend, bis seine eigenen Worte ihn an seine Aufgabe erinnerten.
»Die Posten«, sagte er. »Sind wir im Krieg?« Sie begriff nicht. »Krieg?«
    »Kämpfen wir gegen irgendwen?«
    »Kämpfen?« fragte sie zögernd. »Manchmal
kämpfen die Männer um ihre Frauen und so was. Natürlich gibt’s kein
Blutvergießen – nur Raufereien, um den besseren Mann zu finden. Meinst du das?«
    »Nein. Ich meine: gegen Armeen kämpfen,
gegen Heere, gegen andere Gänse,

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