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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Käppchen,
aus dem ein wahrer Schauer von Mäusen und Fröschen herniederregnete. Der Dachs
weinte bitterlich und zerquetschte gedankenverloren jede Träne, die ans Ende
seiner Nase rollte. Archimedes hatte seinen Kopf ganz von vorn nach hinten
gedreht, um seine Scham zu verbergen. Cavall sah leidend aus. T. natrix hatte
ihren Kopf mit einer durchsichtigen Träne in jedem Nasenloch auf den
königlichen Fuß gelegt. Und Balins Blinzelhaut bewegte sich so schnell wie ein
Morse-Apparat. »Gott schütze den König«, sagten sie. »Ihr könnt euch setzen.«
    Also setzten sie sich ehrerbietig, nachdem
er als erster Platz genommen hatte: ein Kronrat. »Wir werden bald«, sagte er,
»in unser schönes Reich zurückkehren. Zuvor haben wir noch Fragen zu stellen.
Erstens wurde erwähnt, daß ein Mann wie John Ball auftreten wird; er soll ein
schlechter Naturwissenschaftler sein, weil er behauptet, die Menschen sollten
leben wie die Ameisen. Welcher Einwand wird gegen seine Behauptung erhoben?«
    Merlin stand auf und nahm seinen Hut ab.
»Es ist eine Sache der natürlichen Moral, Sir. Das Komitee vertritt die
Ansicht, daß es dieser Moral entspricht, wenn eine Spezies sich auf ihre eigene
Spezialität spezialisiert. Ein Elefant muß sich um seinen Rüssel kümmern, eine
Giraffe oder ein Kamelopard haben sich ihrer Hälse zu bedienen. Es wäre
unmoralisch für einen Elefanten, fliegen zu wollen, denn er hat keine Flügel.
Die Spezialität des Menschen, die bei ihm ebenso entwickelt ist wie der Hals
bei der Giraffe, ist sein Großhirn. Das ist der Teil des Gehirns, der nichts
mit dem Instinkt zu tun hat, sondern Gedächtnis, Deduktion und die Formen des
Denkens regelt, die dem Individuum die Erkenntnis seiner Persönlichkeit
ermöglichen. Der Denkapparat des Menschen macht ihm bewußt, daß er ein
Einzelwesen ist, was selten bei Tieren und Wilden geschieht, so daß jegliche
Form eines betonten Kollektivismus in der Politik der Spezialisierung des
Menschen widerspricht.
    Aus diesem Grund übrigens«, fuhr der alte
Herr langsam fort, während seine Augen trübe wurden wie die eines müden,
hellsichtigen Geiers, »habe ich mein Leben lang, das sich rückwärts über
mehrere langweilige Jahrhunderte erstreckte, meinen kleinen Krieg gegen Macht
in all ihren Formen geführt, und deshalb habe ich zu Recht oder zu Unrecht auch
andere zu diesem Krieg überredet. Aus diesem Grund habe ich Euch, Sir, einst
dazu gebracht, die Spielwütigen mit Verachtung zu strafen; eure Weisheit gegen
den Baron von Fort Mayne einzusetzen; eher an Gerechtigkeit als an Gewalt zu
glauben; und mit geistiger Integrität – wie wir es an diesem langen Abend
versucht haben – die Ursachen des Kampfes zu untersuchen, den wir fuhren: denn
Krieg ist ungezügelte, galoppierende Gewalt. Ich habe diesen Kreuzzug nicht
unternommen, weil die Tatsache der Gewalt im abstrakten Sinn als falsch oder
unrecht betrachtet werden könnte. Für die Boa Constrictor, die praktisch ein
Riesenmuskel ist, gilt im wahren Wortsinn, das Macht gleich Recht ist; für die
Ameise, deren Gehirn anders beschaffen ist als das menschliche, ist der Staat
tatsächlich wichtiger als das Individuum. Doch für den Menschen, dessen
Spezialität der Persönlichkeits-Erkenntnis in den Falten seines Großhirns liegt
– und die sind bei ihm ebenso entwickelt wie die Muskeln in der Boa Constrictor
–, gilt ebenso buchstäblich, daß die geistige Wahrheit und nicht die Gewalt das
Recht ist; und daß das Individuum wichtiger ist als der Staat. Es ist soviel
wichtiger, daß es den Staat abschaffen sollte. Wir müssen es den Boa
Constritors überlassen, sich selbst als Muskelprotzen zu bewundern: Die
Spielwütigen, Fort Mayne und so weiter sind für sie schon recht. Vielleicht
sind die Netzhäute der Pythonschlangen eigentlich eine Art Sportdress. Den
Ameisen müssen wir es überlassen, den Ruhm des Staates zu bestätigen: Der
Totalitarismus ist für sie zweifellos das gelobte Land. Aber was den Menschen
angeht, so ist das Komitee – und zwar nicht aufgrund einer abstrakten
Definition von Recht und Unrecht oder richtig und falsch, sondern aufgrund der
konkreten Definition der Natur, daß eine Spezies sich auf ihre eigene
Spezialität spezialisieren muß – der Ansicht, daß Macht nie Recht war; daß der
Staat nie das Individuum überragen sollte; und daß die Zukunft in der
individuellen Seele liegt.«
    »Vielleicht solltet Ihr mehr vom Gehirn
reden.«
    »Sir, in dieser alten Denkschachtel gehen
sehr viele

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