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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Dinge vor; doch zum Zweck unserer Untersuchung können wir uns auf
zwei Abteilungen konzentrieren, das Neopallium und das Corpus striatum. Im
letzteren werden, um es einfach auszudrücken, meine instinktiven und
mechanischen Handlungen bestimmt; im ersteren bewahre ich die Vernunft, der zu
Ehren unsere Rasse seltsamerweise den Spitznamen sapiens bekommen hat.
Vielleicht kann ich es mit einem dieser gefährlichen und häufig irreführenden
Gleichnisse erklären. Das Corpus striatum ist wie ein einzelner Spiegel, der
die einströmenden Reize auffängt und instinktive Handlungen nach draußen zurückwirft.
Im Neopallium jedoch sind zwei Spiegel. Sie können einander sehen, und
deshalb wissen sie, daß sie existieren. Mensch, erkenne dich selbst, hat da
mal irgendeiner gesagt; oder, wie ein anderer Philosoph es ausdrückte, das
eigentliche Studienobjekt der Menschheit ist der Mensch. Das kommt daher, daß
er sich auf das Neopallium spezialisiert hat. Bei anderen Tieren mit Gehirn ist
das Wichtigste nicht der Raum mit den zwei Spiegeln, sondern der mit einem.
Wenige Tiere außer dem Menschen sind sich ihrer eigenen Persönlichkeit bewußt.
Selbst bei primitiven Rassen der menschlichen Art kommen noch Verwechslungen
zwischen dem Individuum und seiner Umgebung vor – Ihr wißt vielleicht, daß der
wilde Indianer so wenig zwischen sich und der äußeren Welt unterscheidet, daß
er selbst spuckt, wenn er möchte, daß die Wolken regnen. Vom Nervensystem der
Ameise kann man behaupten, daß es ein einzelner Spiegel ist wie beim Wilden,
und deshalb entspricht es der Ameise, Kommunist zu sein, sich in der Menge zu
verlieren. Weil aber das Gehirn des zivilisierten Menschen ein Doppelspiegel
ist, wird er sich immer auf die Individualität spezialisieren müssen, auf die
Erkenntnis seiner selbst oder wie Ihr es sonst ausdrücken mögt. Weil die beiden
Spiegel einander reflektieren, kann er es nie zum selbstlosen Angehörigen des Proletariats
bringen. Er muß ein Selbst haben und alles, was zu einem so hochentwickelten
Selbst gehört – einschließlich Selbstsüchtigkeit und Eigentum. Bitte verzeiht
mir mein Gleichnis, wenn ich es unfair angewandt haben sollte.«
    »Hat die Gans ein Neopallium?« Merlin
stand wieder auf.
    »Ja, für einen Vogel ein ziemlich gut
entwickeltes. Die Ameisen haben eine andere Art von Nervensystem, nach dem
Prinzip der Corpora striata.«
    »Die zweite Frage betrifft den Krieg. Es
wurde vorgeschlagen, daß wir ihn so oder so abschaffen sollten, aber niemand
hat ihm die Möglichkeit gegeben, seine Argumente vorzutragen. Vielleicht
spricht einiges für den Krieg. Das wüßten wir gern.«
    Merlin legte seinen Hut auf den Boden und
flüsterte mit dem Dachs, der zu seinen Stapeln von Notizen eilte und zur
Überraschung aller mit dem richtigen Blatt zurückkam.
    »Sir, mit dieser Frage hat sich das
Komitee bereits befaßt. Wir haben eine Liste der Argumente pro und contra
aufgestellt und sind bereit, sie vorzutragen.« Merlin räusperte sich und
kündigte mit lauter Stimme an: »pro.«
    »Zugunsten des Krieges«, erklärte der
Dachs. »Erstens«, sagte Merlin. »Krieg ist eine der Haupt-Triebkräfte der
Romantik. Ohne den Krieg gäbe es keine Rolands, Makkabäer, Lawrences oder
Hodsons of Hodson’s Horse. Es gäbe keine Victoria-Kreuze. Er ist ein Stimulans
für die sogenannten Tugenden wie Tapferkeit und Kooperation. Tatsächlich hat
der Krieg seine Augenblicke der Größe. Es muß auch darauf hingewiesen werden,
daß wir ohne den Krieg zumindest die Hälfte unserer Literatur entbehren müßten.
Shakespeare ist voll davon. Zweitens. Der Krieg ist eine Methode zur Begrenzung
der Bevölkerungszahl,
wenn auch eine scheußliche und unzureichende. Derselbe Shakespeare, der zum
Krieg offenbar die gleiche Einstellung hatte wie die Deutschen und ihr toller
Verteidiger Nietzsche, sagt in einer Szene – die er angeblich für Beaumont
& Fletcher geschrieben hat –, der Krieg heile mit Blut die kranke Erde und
kuriere die Welt von der Pleuritis ihrer Menschen. Vielleicht darf ich in
Parenthese und ohne Respektlosigkeit hinzufügen, daß der Barde beim Thema Krieg
merkwürdig gefühllos zu sein schien. König Heinrich V. ist das
abstoßendste Stück, das ich kenne, und Heinrich selbst der abstoßendste Held.
Drittens. Der Krieg öffnet der aufgestauten Grausamkeit des Menschen ein
Ventil, und solange der Mensch ein Wilder bleibt, scheint so etwas nötig zu
sein. Das Komitee hat nach Überprüfung der Geschichte

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