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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Wahrheit auch in
Todesgefahr verteidigten. Eppur si muove, sollte Galileo später sagen:
Und sie bewegt sich doch. Sie würden ihn verbrennen können, wenn er darauf
bestand, auf diesem albernen Unsinn von der Erde, die sich um die Sonne dreht,
dennoch blieb er bei seiner grandiosen Behauptung, weil es etwas gab, was ihm
wichtiger war als er selbst. Die Wahrheit. Zu erkennen und zu bestätigen, Was
Ist. Das war es, was der Mensch konnte, was seine Engländer konnten, seine
geliebten, seine schlafenden, jetzt wehrlosen Engländer. Sie mochten dumm sein,
grausam, unpolitisch, fast hoffnungslos. Aber hier und da, oh, so selten, oh,
so vereinzelt, oh, so glorreich, gab es doch jene, die sich der Folter
aussetzten, dem Henker und selbst dem letzten Ende, weil es um etwas Größeres
ging als um sie. Wahrheit, diese merkwürdige Sache, der Witz des Pilatus. Viele
dumme junge Männer hatten geglaubt, dafür zu sterben, und viele würden in
Zukunft dafür sterben, vielleicht tausend Jahre lang noch. Sie mußten nicht
recht haben mit ihrer Wahrheit wie Galileo. Es genügte, daß sie, die Wenigen
und Geopferten, eine Größe begründeten, etwas über der Summe all ihrer Ignoranz.
    Doch dann überkam ihn wieder die Welle des
Leids, der Gedanke an das Menschenkind, wenn es erwacht war: der Gedanke an
diese grausame und gemeine Mehrheit, der gegenüber die Märtyrer so seltene
Ausnahmen waren. Und sie bewegt sich doch. Wie klein, wie erbärmlich klein war
die Zahl derer, die darauf bestehen würden! Er hätte weinen können aus Mitleid
für die Welt und ihre Schrecklichkeit, die immer noch mitleiderregend war. Der
Igel bemerkte: »Hübsch hier, was?«
    »Stimmt, Mann. Aber ’s gibt nix, was ich
für sie tun könnt’.«
    »Ihr habt ’ne Supermenge getan.«
    Im Tal erwachte eine Hütte. Ihr helles
Auge blinzelte, und er konnte den Mann spüren, der das Licht angezündet hatte:
wahrscheinlich ein Wilddieb, einer, der langsam und ungeschickt und geduldig
war wie der Dachs und der jetzt seine schweren Stiefel anzog. Der Igel sagte:
»Schier?«
    »Sire heißt es. Und Euer Majestät, nicht
Euer Maien spät.«
    »Majestät?«
    »Ja, Mann.«
    »Wißt Ihr noch, wie unsereiner für Euch
gesungn hat?«
    »Ich weiß es gut. Es war das Lied vonner Rustic
Bridge, und Geneviève, und… und…» »Home Sweet Home.»
    Ganz überraschend neigte der König den
Kopf. »Soll ich wieder für Euch singn, Majestät-Meister?« Er konnte nur nicken.
    Der Igel stand im Mondlicht und nahm die
richtige Haltung zum Singen ein. Er stellte sich breitbeinig hin, faltete die
Hände über dem Bauch und schaute auf einen Gegenstand in der Ferne. Dann sang
er in seinem klaren Volkslied-Tenor dem König von England von Home Sweet
Home.
    Das törichte, einfache Lied verklang –
aber es war nicht töricht hier im Mondlicht, auf einem Berg in seinem Reich.
Der Igel scharrte mit den Füßen, hustete und war begierig nach mehr.
    Doch der König konnte nicht reden.
»Majestät«, sagte er schüchtern, »ich kann’n neues.« Es kam keine Antwort.
    »Wo ich gehört hab’, daß Ihr kommn wollt,
hab’ ich ’n neues gelarnt. So zum Willkommn. Vom fein’ Herrn Marlin hab’ ich’s
gelarnt.«
    »Sing es«, stieß der alte Mann hervor. Er
streckte seine Glieder in der Heide aus, denn das alles war zuviel.
    Und da, auf den Höhen von England, in
guter Aussprache (weil er sie sorgsam von Merlin gelernt hatte), zu Parrys
Musik aus der Zukunft, das Schwert aus Zweigen in der grauen Hand und hinter
sich einen Streitwagen aus faulenden Blättern – da stand der Igel und baute
Jerusalem. Und er meinte es.
     
    Reicht mir den Bogen aus
glänzendem Gold.
    Bringt mit die Pfeile zum
Abenteuer.
    Bringt meinen Speer. Der sei
mir hold.
    Bringt mir den Wagen aus
flammendem Feuer.
    Ich werd’ nicht ruhen mit
meinem Bemüh’n,
    Noch wird das Schwert
schlafen in meiner Hand,
    Bis daß ich erbaut hab’
Jerusalem
    Auf Englands grünem, gnädigem
Land.
     
     
    KAPITEL 19
     
     
    Die bleichen Gesichter des Komitees, das
sich ums Feuer drängte, wandten sich mit einer einzigen Bewegung zur Tür, und
sechs schuldbewußte Augenpaare hefteten sich auf den König. Doch wer eintrat,
war England. Es war überflüssig, etwas zu sagen, zu erklären: Sie konnten es
von seinem Gesicht ablesen. Da erhoben sie sich, gingen auf ihn zu und standen
demütig um ihn herum. Merlin war zu seiner Überraschung ein alter Mann, dessen
Hände zitterten wie Laub. Er schneuzte sich überaus heftig in sein

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