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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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Mann …«
    »Die Sache in den falschen Hals kriegen würde«, beendete Macrae Vanessas Satz. Sie nickte und beugte sich vor, um aus ihrer Handtasche ein Taschentuch zu nehmen.
    »Ich kann Ihre Bedenken sehr gut nachvollziehen, Mrs. Trave«, fügte Macrae an. »Ihr Mann hasst Mr. Osman, und jetzt, da ich Sie kennenlerne, verstehe ich auch, warum.«
    »Was meinen Sie?«
    »Ich meine, dass Sie eine schöne Frau sind. Ihr Mann kann es nicht ertragen, dass Sie ihn wegen Titus Osman verlassen haben, deshalb versucht er, aus Osman einen Mörder zu machen, auch wenn das gar nicht stimmt.«
    Vanessa wurde rot und wusste nicht, was sie sagen sollte. Es gefiel ihr nicht, dass Macrae ihr Privatleben thematisiert hatte, doch sie merkte, dass er da etwas aussprach, was auch sie seit Langem dachte.
    »Wirklich eine Tragödie«, fuhr Macrae fort. »Ihr Mann war immer ein hervorragender Polizist, aber jetzt ist er vom Weg abgekommen. Und das wahrscheinlich endgültig.«
    Macrae klang, als täte ihm das leid, aber seine grauen Augen sagten etwas ganz anderes. Vanessa schien es, als würde Macrae sich prächtig amüsieren. Doch sie riss sich zusammen und redete sich ein, dass dieser Eindruck sicher falsch sei. »Ich bin hergekommen, um über Katya zu sprechen, nicht über meinen Ehemann«, sagte sie bestimmt.
    »Aber Ihr Ehemann war der Grund dafür, dass Sie diese Information nicht früher preisgegeben haben. Oder etwa nicht, Mrs. Trave?«
    »Ja«, gab Vanessa widerstrebend zu. Denn es stimmte – sie hatte geschwiegen, weil sie Bill misstraute. Aber dass sie das so aussprechen musste, fühlte sich an, als würde sie ihn betrügen. Damitsagte sie, dass man Bill nicht mehr trauen konnte, dass er seine Urteilsfähigkeit verloren hatte, dass er nicht mehr ehrlich war. Und sie sagte es hier, ausgerechnet an dem Ort, an dem er so viele Jahre für die Gerechtigkeit gekämpft hatte. Vanessa blickte auf und hatte für einen Moment den Eindruck, Macrae könne ihre Gedanken lesen. Ihr war, als sei ihm das Gewicht dieser Aussage vollauf bewusst und als würde er das mit Wonne auskosten.
    »Jetzt gebe ich es preis«, sagte sie in dem Versuch, wieder Kontrolle über das Gespräch zu bekommen. »Und ich möchte Sie bitten, mir zu sagen, was ich machen soll …«
    »Machen soll?«, wiederholte Macrae ungläubig. »Nichts sollen Sie machen, Mrs. Trave. Es ist doch alles ganz einfach. David Swain hat Katya Osman getötet. Es gibt keine heimlichen Verschwörungen, sosehr Ihr Mann auch danach sucht. Unterm Strich war Katya eine sehr unglückliche Person. Sie konsumierte Drogen und trieb sich an Orten herum, an denen ein anständiges Mädchen nichts verloren hat. Und ihr Onkel, das muss man ihm zugutehalten, versuchte ihr zu helfen, indem er sich um sie kümmerte. Er ist nicht schuld daran, dass sie viel zu angeschlagen war, um seine Mühe honorieren zu können, und Ihnen an besagtem Abend die wildesten Dinge erzählt hat. Und dass diese Dinge an die Öffentlichkeit gelangen, hat er einfach nicht verdient. Nein, Mrs. Trave, in diesem Fall gibt es ohnehin schon viel zu viele Komplikationen. Noch mehr können wir nicht gebrauchen.«
    »Wir tun also nichts?«, fragte Vanessa überrascht. Auch wenn sie sich im Grunde genau das gewünscht hatte, fühlte sie sich auf eigenartige Weise unzufrieden – denn ihre Grübeleien und Schuldgefühle war sie deswegen nicht los.
    »Genau das: gar nichts«, sagte Macrae und lächelte. »Die Gerechtigkeit wird sich in London ihren Weg bahnen, und Sie und Mr. Osman werden bis ans Ende Ihrer Tage glücklich in Blackwater Hall leben. Er ist wirklich zu beneiden.«
    »Die Sache ist noch nicht entschieden«, sagte Vanessa und standauf. Ohne sagen zu können, warum, hatte sie wie schon zuvor den Eindruck, Macrae würde sich über sie lustig machen und sich an ihrem Unbehagen weiden.
    »Natürlich nicht«, sagte er gleichgültig und streckte ihr die Hand entgegen, die sie widerwillig schüttelte. Erneut fielen ihr seine langen, spitz zulaufenden Finger mit den fast schon weiblich anmutenden Nägeln auf. Sie wollte schnell loslassen, doch er hielt ihre Hand fest und sah ihr in die Augen. »Noch ein kleiner Rat, Mrs. Trave«, sagte er sanft. »Es war gut, dass Sie zu mir gekommen sind, doch jetzt würde ich die Sache auf sich beruhen lassen. Unnötiges Gerede kostet Menschenleben – denken Sie dran, was man uns im Krieg eingeschärft hat.«
    Macrae ließ Vanessas Hand los und ging zur Türe, um sie hinauszulassen. Draußen stand

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