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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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ihre.
    »Immer mit der Ruhe, Liebes«, sagte er beschwichtigend. »Das ist ein Missverständnis. Franz wollte nicht, dass Hitler gewinnt. Er hat beim Einmarsch der Deutschen auf belgischer Seite gekämpft. Aber er mag nun mal die Kommunisten nicht. Keiner von uns mag sie, auch dein Präsident Kennedy nicht.«
    Vanessa saß kerzengerade auf ihrem Stuhl, ohne den Blick vonClaes zu wenden – so einfach ließ sie sich nicht abwimmeln. »Was ist Ihre Meinung?«, fragte sie.
    »Meinung worüber?«, fragte Claes. Seine Stimme klang verächtlich, und so sah er Vanessa auch an. Sie hatte den Eindruck, dass er sich zwar zusammenriss, im Grunde aber genau wie sie auf einen Zweikampf hinauswollte.
    »Über Hitler? Darüber, dass man den falschen Feind bekämpft hat?«
    Claes lächelte milde und wollte schon antworten, doch dann senkte er den Blick, denn er merkte, dass Titus’ Augen auf ihm ruhten. »Ich wollte nicht, dass Hitler den Krieg gewinnt«, sagte er langsam und klang dabei wie ein ungezogener Schuljunge, der etwas auswendig Gelerntes aufsagte. Auf der anderen Seite des Tisches atmete Claes’ Schwester erleichtert auf und legte eine Hand auf das silberne Kruzifix, das sie an einer dünnen Kette um den Hals trug.
    Titus hingegen hatte im Nachgang so getan, als sei nichts gewesen. Hatte Vanessa am Arm genommen und sie den Gang entlang in den Salon geführt, wo sie den Nachmittag nebeneinander auf dem Sofa am Kamin verbracht und über ferne Länder gesprochen hatten, die Vanessa noch nie gesehen hatte und wohin Titus sie gerne entführen würde.
    An diesem Spätnachmittag im Januar allerdings, da Vanessa auf der grauen Holzbank am Fluss saß, wurde ihr klar, dass es mit Titus keine Zukunft geben würde, wenn sie Katyas Worte für sich behielt. Sie konnte Titus nur geben, was er wollte, wenn sie seinen Wunsch ignorierte und das, was sie wusste, der Polizei erzählte. Nicht ihrem Mann, sondern dem Beamten, der den Fall übernommen hatte. Der hatte Titus nämlich nicht im Visier. Er würde unparteiisch sein. Er würde ihr sagen, was zu tun wäre.
    Kurz überlegte sie, ob sie Titus ihren Entschluss vorher mitteilen sollte, entschied sich aber dagegen. Er würde versuchen, sie umzustimmen, und sie konnte jetzt nicht länger schweigen. Sie musste tun, was sie für richtig hielt.
    Vanessa verlor keine Sekunde. Kaum war sie daheim, rief sie das Polizeirevier an und vereinbarte für den nächsten Tag ein Gespräch mit Inspector Macrae.
    Das Gebäude zu betreten, in dem ihr Mann sein Leben lang gearbeitet hatte, fühlte sich seltsam an. Während ihrer Ehe war sie kaum jemals hiergewesen. Für offizielle Anlässe nutzte die Oxforder Polizei immer ein Hotel in der Nähe des Bahnhofs, und abgesehen davon hatte Bill immer Wert darauf gelegt, das Private und das Berufliche voneinander zu trennen. Vanessa wurde traurig, als sie an ihn dachte. Sicher war er einsam – sogar von hier hatte man ihn fortgeschickt, vielleicht sogar für immer. Doch ihr Mitleid währte nicht lange, denn ihr fiel ein, wie er sich nach Joes Tod von ihr abgewendet und sie mit ihrer Trauer alleingelassen hatte, um bis in die Nacht im Büro zu sitzen und nur zum Schlafen heimzukommen.
    Macrae holte sie in der Eingangshalle ab, stellte sich vor und ging dann mit ihr durch verwinkelte Gänge in sein Büro. So dankbar sie war, dass er sie anhören wollte, fühlte sie sich in seiner Gegenwart doch unwohl. Sie saß ihm an seinem Schreibtisch gegenüber und war nicht in der Lage, den Grund dafür zu erkennen. Vielleicht lag es an seinen kalten und aufmerksamen Augen, die völlig losgelöst von dem schienen, was er sagte. Vielleicht lag es an der Art und Weise, wie er seine langen Finger aneinanderrieb. Vanessa wollte auf keinen Fall, dass eine unverständliche Abneigung sie von dem abhielt, was sie vorhatte. Deshalb versuchte sie, gar nicht darauf zu achten und so zu tun, als ob nichts wäre.
    Sie begann, von der Begegnung zu berichten, die sie mit Katya vor vier Monaten im Salon von Blackwater Hall gehabt hatte. Zunächst war sie erleichtert, ihr langes Schweigen brechen und diesem Fremden alles erzählen zu können. Doch angesichts ihrer Enthüllungen schämte sie sich noch mehr dafür, dass sie alles so lange für sich behalten hatte. Sie verhaspelte sich und merkte, dass ihr Tränen in den Augen standen.
    »Ich wollte Titus keine Schwierigkeiten machen«, sagte sie. »Er ist ein anständiger Mann und wollte Katya nur helfen. Aber ich wusste, dass Bill, also mein

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