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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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zurückzog, als er sah, wer da zu Besuch kam. Jacob rannte ihm nach und schaffte es, sich durch die Türe zu zwängen, bevor Osman sie schließen konnte.
    Ohne eine weitere Ausweichmöglichkeit zu haben, setzte Osman sich an seinen Schreibtisch – als würde ein einigermaßen würdevolles Verhalten Jacob zur Vernunft bringen. Wenig würdevoll war dabei natürlich, dass immer noch die oberste Schublade fehlte. Die war nämlich beim Schreiner, nachdem Jacob ihr bei seinem letzten Besuch ein Loch verpasst hatte.
    »Wie kommst du dazu, hier einfach so einzudringen?«, herrschte Osman ihn an und versuchte damit den Eindruck zu erwecken, er hätte die Situation im Griff.
    Jacob gab keine Antwort und sah nur voller Verachtung auf Osman hinunter.
    »Was willst du?«, fragte Osman. Er wirkte nervös – Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn, und seine Unterlippe zuckte.
    »Ich will Gerechtigkeit – und zwar die Art von Gerechtigkeit, die es in London nicht gibt«, sagte Jacob, indem er auf die Titelseite des
Daily Telegraph
deutete, der zusammengefaltet zwischen ihnen auf dem Tisch lag:
Todesstrafe für Blackwater-Mord
.
    »Ich will Gerechtigkeit für meinen Vater und meine Mutter, für meinen Bruder und Katya und für all die anderen Männer, Frauen und Kinder, die du in den letzten zwanzig Jahren gemeinsam mit Claes ermordet hast. Das will ich«, fuhr Jacob fort und schlug bei jedem der genannten Todesopfer mit der Faust auf den Tisch.
    »Ich habe nichts Unrechtes getan«, sagte Osman mit zitternder Stimme und versank tiefer in seinem Sessel. »Das schwöre ich. David Swain hat deinen Bruder und Katya getötet, wohingegen ich deine Eltern retten wollte – es letzten Endes aber nicht konnte. Dich konnte ich retten. Verstehst du das nicht? Du würdest ohne mich nicht hier stehen.«
    »Ja, das stimmt. Aber warum? Warum hast du mich gerettet, Titus?«, fragte Jacob und beugte sich so weit vor, dass sein Gesicht und das von Osman nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. »Komm schon, sag es mir, spuck’s aus – du weißt doch genau, warum. Damit meine Eltern dir vertrauten, wenn sie irgendwann über die Grenze fliehen wollten. Darum. Damit sie dann all ihre wertvollen Diamanten bei sich trügen und du so der König der Diamanten werden würdest. Denn mehr waren sie für dich nicht – nur die Möglichkeit, noch mehr Beute zu machen.«
    Jacob packte sein Gegenüber am Kragen seines Anzugs aus der Savile Row und zerrte ihn derart wüst hinter dem Schreibtisch hervor und zur Tür hinüber, dass der Stoff einriss. Osman war zunächst viel zu überrascht, um sich zu wehren, doch als er schließlich versuchte, Widerstand zu leisten, stieß Jacob ihn zu Boden, zog die Waffe aus der Tasche und hielt sie ihm an die Schläfe.
    »Steh auf«, befahl er mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich leg dich um. Ich schwöre bei Gott, dass du fällig bist, wenn du mir nicht gibst, was ich will.«
    »Was willst du?«, fragte Osman. Er stellte diese Frage zum zweiten Mal, doch jetzt klang nicht nur seine Stimme viel flehentlicher als vorher, auch sein Atem ging schwer und stoßweise. Beim Aufprall schien er sich verletzt zu haben: Mit beiden Händen hielt ersich den unteren Rücken, als er aufstand und schwankend in der Türe stehenblieb.
    »Beweise«, sagte Jacob. »Beweise will ich. Beweise dessen, was du getan hast, damit alle Welt sehen kann, wer du in Wirklichkeit bist: ein Dieb und ein kaltblütiger Mörder – und keineswegs der edelmütige Menschenfreund und Wohltäter.«
    »Aber dafür gibt es keine Beweise«, sagte Osman und griff nach Jacobs Arm, um ihn zu beschwichtigen. »Du musst mir glauben: Ich bin unschuldig.«
    »Schluss mit diesen Lügen. Ich ertrage das nicht länger«, rief Jacob und fuchtelte mit seiner Waffe vor Osmans Gesicht herum. Mit der freien Hand stieß er ihn nach hinten, durch die halbgeöffnete Türe hindurch, kam dann sofort hinterher in den Flur und drückte Osman die Waffe in den unteren Rücken. Genau dort hatte Osman sich beim Fallen verletzt, und er schrie vor Schmerz auf.
    »Du bist der am wenigsten unschuldige Mensch auf dem ganzen Planeten«, zischte Jacob ihm ins Ohr. »Geh jetzt die Treppe rauf. Oder ich mache das noch mal.«
    Osman zitterte von Kopf bis Fuß, befolgte aber den Befehl und ging langsam durch die Eingangshalle und die Treppe hinauf. Oben angekommen, dirigierte Jacob ihn nach links, und sie setzten ihre eigenartige Prozession den Gang entlang bis zu Osmans Schlafzimmer

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