Der König der Diamanten
Hinterkopf. Von unten sahen die beiden Polizisten zu ihnen herauf.
»Und jetzt sag es ihnen«, fuhr er mit kalter Stimme fort. »Sag ihnen, was du getan hast. Erzähl ihnen, wie du meine Eltern an die Nazis ausgeliefert, wie du sie im Viehwaggon nach Auschwitz geschickt hast. Erzähl ihnen, wie du und Claes meinem Bruder ein Messer in den Rücken gestoßen habt. Erzähl ihnen von Katya. Sag es ihnen, Titus. Sonst lege ich dich um. Verlass dich drauf.«
Aber Osman hörte gar nicht zu. Er überlegte, ob er springen sollte, aber es war zu hoch, und er hatte zu viel Angst.
»Helfen Sie mir«, rief er nach unten, und zwar nicht zu Clayton, sondern zu dem Mann hinter ihm. »Dafür bezahle ich Sie.«
Ohne eine Antwort drehte Wale sich um, ging zum Polizeiauto und überließ Clayton das Reden.
»Lassen Sie ihn gehen!«, rief Clayton Jacob zu. »Claes ist tot. Reicht Ihnen das nicht?«
Aber Jacob hörte nicht zu. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf den zitternden Mann direkt vor ihm gerichtet. »Du gestehst jetzt«, forderte er und drückte Osman die Pistole in den Rücken. »Du gestehst jetzt, dann lasse ich dich laufen.«
»Nein«, sagte Osman. »Ich bin unschuldig.« Er schrie diese Worteheraus, sodass alle Anwesenden sie hören konnten: Jana und die Hausangestellte auf der anderen Seite des Hofes, die Polizisten unten, und natürlich auch noch – Osmans Katze. Cara war unter dem Bett hervorgekrochen und beobachtete den Mann, der dort am Fenster ihr Herrchen so misshandelte, dass der vor Schmerz aufschrie. Plötzlich machte sie einen Buckel und sprang dann mit einem Riesensatz quer durch den Raum auf Jacobs Schulter, wo sie sich festkrallte und ihre Zähne in seinen Nacken grub. Der Angriff kam so vollkommen unerwartet, dass Jacob die Pistole fallen ließ.
Osman packte die Gelegenheit blitzschnell beim Schopf. Mit einer für einen Mann seines Alters überraschenden Beweglichkeit hechtete er zu Boden, schnappte die Pistole und rollte seitwärts zur Tür.
Jacob taumelte ins Zimmer zurück und versuchte, die Katze zu packen, die aber überhaupt nicht loslassen wollte und kratzte und biss. Schließlich gelang es ihm, sie mit beiden Händen fest zu umfassen und sie an die gegenüberliegende Wand zu schleudern, von wo sie kreischend zu Boden fiel und wieder unter dem Bett verschwand.
Jacob konnte nichts sehen. Aus mehreren tiefen Kratzern lief ihm das Blut von der Stirn in die Augen, und er hob die Hand, um es wegzuwischen. Als er wieder sehen konnte, hatte er den Lauf seiner eigenen Pistole vor sich.
»Nicht bewegen. Nicht sprechen«, sagte Osman. Sie standen jetzt neben dem Bett, unsichtbar für die Menschen unten im Hof.
»Du willst also mein Geständnis hören, richtig?«, fragte er. Seine Stimme war nur mehr ein Flüstern. »Möchtest du mir die Beichte abnehmen? Und mir die Absolution erteilen?«
Jacob sah seinen Gegner schweigend an und wartete gespannt darauf, die Wahrheit zu hören. Hinter ihm wehte ein kühler Wind durch das zerbrochene Fenster herein und spielte mit den seidenen Vorhängen. Unten im Hof zog Clayton die Waffe von FranzClaes aus seiner Tasche und betrachtete sie für einen Moment, wie um sich für das, was vor ihm lag, zu wappnen. Dann ging er die Stufen hinauf und betrat das Haus durch die weitgeöffnete Eingangstüre.
»Hier ist ein Satz, der fast nicht lesbar ist«, sagte Trave. Er hielt Katyas Tagebuch ins Licht und hatte die Stirn in Falten gelegt. »Er ist verschmiert, als hätte sie etwas verschüttet. Oder sie hat geweint.«
»Das ist doch völlig egal«, sagte Vanessa, die es fast nicht mehr aushielt. »Jetzt mach schon, Bill. Sag mir endlich, was passiert ist.«
Und Trave las weiter, wobei er Katyas Gekritzel mühsam entzifferte:
Mein Onkel saß an seinem Schreibtisch und hatte Ethans Zettel vor sich.
Er sah mich an und lächelte, und ich wusste genau, was los war. Er
musste nicht einmal etwas zugeben. Ich wusste, was er gemacht hatte.
Mit Ethan und David und Ethans Eltern und all den anderen Juden,
die er nicht gerettet hat.
»Meine kleine Katya hat also etwas gefunden«, sagte er. So hatte er mich noch nie genannt. »Ein Raunen aus der Vergangenheit. Aber mehr ist das auch nicht, verstehst du? Ein Raunen – ein undeutliches Gemurmel im Wind, das nie an jemandes Ohr dringen wird.« Er nahm den Schreibblock und warf ihn ins Feuer, und ich konnte nur zuzusehen, wie er verbrannte. Mein Beweis wurde zu Asche, meine Hoffnung zu Staub.
Ich sah ihm in die Augen und
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