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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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Bootshaus zu locken. So einfach wie genial. Und alles funktionierte prächtig. Ethan ist tot, David hingegen ist im Gefängnis und sitzt eine lebenslange Haftstrafe ab für etwas, das er gar nicht getan hat. Und ich erkannte auch etwas anderes, etwas Furchtbares. Franz muss Ethan den ganzen Nachmittag im Bootshaus eingesperrt haben, so lange, bis David dann kam. Er hatte Ethan nicht vorher töten können, sonst hätte der Zeitpunkt des Todes nicht gestimmt. Mein Geliebter war den ganzen Tag am Leben, und ich war fort beim Einkaufen. Beim Einkaufen! Das war zu viel. Ich rannte aus dem Haus. Ich musste nachdenken. Ich rannte durch den Wald hinunter zum Bootshaus. Dorthin, wo Franz ihn gefangen gehalten hatte. Vielleicht war es Ethan gelungen, mir eine Nachricht, irgendein Zeichen zu hinterlassen, bevor er starb. Ich suchte in jeder Ecke, jedem Winkel, jeder Spalte, doch ich fand nichts. Schließlich ging ich den Weg, den ich gekommen war, wieder zurück. Nicht einmal, sondern zweimal. Auf allen vieren suchte ich den Waldboden ab, doch ich fand immer noch nichts. Gar nichts. Ich setzte mich ins Bootshaus und legte meinen Kopf auf den Tisch, an dem ich so oft mit Ethan gesessen hatte. Ich dachte an die Vergangenheit und vergaß die Zeit, und es war, als sei Ethan noch am Leben und nur ein kleines Stück von mir entfernt. Aber dann hörte ich draußen auf der Treppe Stimmen, und als sie die Türe öffneten, konnte ich mich nirgendwo mehr verstecken.
     
    Trave hielt inne und sah zu Vanessa, während er umblätterte. Mit weit aufgerissenen Augen saß sie an der Kante des Sofas, nur wenige Zentimeter von ihm entfernt, die Hände vor der Brust ineinandergekrallt. Es gab nichts, womit er sie hätte trösten können, und so wandte er sich schweren Herzens wieder dem Tagebuch zu, um weiterzulesen.

Kapitel Achtundzwanzig
    Seit zehn Tagen versteckte Jacob sich in dem billigen Hotel hinter der Paddington Station. Hier war er schon einmal gewesen, als er die Staatsarchive Europas bereist hatte, um Informationen über Claes’ schmutzige Vergangenheit aufzutreiben. Man hatte an der Rezeption bar und im Voraus zu bezahlen, dafür musste man keine Fragen beantworten. Er las täglich, was die Zeitungen über den Swain-Prozess berichteten, hörte Radio und machte lange Spaziergänge durch die Londoner Parks. Die eiskalte Luft hielt ihn wach, während er darauf wartete, dass die Geschworenen endlich zu ihrer Urteilsfindung kamen. Und als das Urteil dann am Mittwoch in den Abendnachrichten als erste Meldung durchgegeben wurde, war er nicht sonderlich überrascht. Aber er war bereit zum Handeln. Er stand am nächsten Morgen auf, schnallte nach dem Frühstück den Rucksack auf den Rücken und fuhr mit dem Zug nach Banbury. Es war nicht anzunehmen, dass die Polizei den Bahnhof von Oxford überwachen würde, aber das Risiko musste man ja trotzdem nicht eingehen. Von Banbury aus fuhr er dann mit dem Fahrrad durch den dichter werdenden Nebel über Feldwege und Nebenstraßen, bis er das jenseitige Ufer des Blackwater Lake erreichte und das Ruderboot dort vorfand, wo er es zurückgelassen hatte, inmitten einer Gruppe immergrüner Bäume unweit des Sees. Er hatte absichtlich das Dorf und die Landstraße nach Blackwater Hall vermieden, und aufgrund des dichten Nebels musste er keine Angst haben, dass ihn jemand sah. Was sich indessen als ziemlich schwierig erwies, war, den richtigen Kurs über den See zu finden, und er erreichte das andere Ufer fast hundert Meter von seinem Ziel entfernt. Schließlich konnte er aber das Boot mit dem Fahrrad darin unter dem Bootshaus verstauen und sich mit der Taschenlampe in der Hand auf den Weg durchs Gehölz machen.
    Als er eine Stunde später zwischen den Bäumen versteckt am oberen Ende der Einfahrt stand und den Bentley davonbrausen hörte, lächelte er zufrieden. Dass Claes sich entfernte, war ja ein glücklicher Umstand, mit dem man nicht hatte rechnen können. Osman würde somit allein anzutreffen sein, abgesehen vom Personal und der Schwester von Claes. Aber von denen hatte er nichts zu befürchten. Er ließ ein paar Minuten verstreichen, bevor er aus seinem Versteck hinaus in den Nebel trat, die Hand fest um den Griff der Waffe in seiner Tasche.
    Diesmal öffnete nicht Jana, sondern eine Hausangestellte in Uniform. Er schob sich an ihr vorbei und verlangte, den Hausherrn zu sprechen. Die entstehende Unruhe sorgte dafür, dass Osman die Eingangshalle betrat, sich aber gleich wieder in den Salon

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