Der König der Diamanten
ihn erwischt, kaum dass er durchs Fenster des Arbeitszimmers
gestiegen sei. Er sagte, jemand, der im Haus lebt, müsse suchen. Vielleicht sei es gefährlich, aber es würde sich lohnen, denn die Beweise seien
ganz sicher da. Er sei sich vollkommen sicher. Beweise dafür, was sie mit seinen Eltern gemacht hatten, mit Ethan, mit David. Und ich musste
gar nicht groß überlegen und habe gleich ja gesagt. Das war einfach. Mein Leben hat jetzt wieder einen Sinn. Und hier in diesem Tagebuch
werde ich aufschreiben, was ich finde. Und dann verstecke ich es. Dort,
wo es immer war. Ich bin so glücklich wie schon lange nicht mehr.
Trave blätterte um und las den nächsten Eintrag.
20. August
Ich habe mit den Drogen aufgehört und deshalb war mir zwei Tage lang
richtig hundeelend, aber langsam geht es mir besser. Ich habe eine Türe hinter mir zugemacht und mich verabschiedet, doch dann habe ich
gemerkt, dass es ja gar nichts gab, wovon man sich verabschieden müsste. Diese Leute da in Oxford – das sind nicht meine Freunde. Und Freunde
brauche ich auch keine, denn ich habe jetzt eine Aufgabe. Ich kann Ethan nicht zum Leben erwecken, das weiß ich, aber trotzdem kann ich etwas
für ihn tun – ich kann ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen. Und das gilt auch für David, wobei ich daran lieber nicht denke, an den Blick, den er mir zugeworfen hat, als ich gegen ihn ausgesagt habe vor Gericht.
Ich hatte keine Ahnung, David. Nicht die geringste Ahnung …
»Kannst du bitte weiterblättern?«, unterbrach Vanessa ungeduldig und setzte sich auf. »Lies vor, was in Blackwater Hall passiert ist. Das ist es, was ich wissen muss.«
Trave nickte, überschlug ein paar Seiten und fuhr fort:
24. August
Meine Suche verlief bislang erfolglos. Ich habe Titus’ Schlüsselbund
genommen und den Schreibtisch durchsucht, aber dort sind nur langweilige Geschäftsbriefe und Schreibmaterial. Ich habe Jacob wie verabredet
angerufen und ihm gesagt, dass er Geduld haben muss. Ich werde ihn erst wieder anrufen, wenn ich etwas entdeckt habe – das Risiko ist einfach zu groß. Obwohl ich nicht wirklich glaube, dass mein Onkel ahnt, was ich vorhabe. Es scheint ihm zu gefallen, dass ich wieder daheim bin. Vielleicht möchte er ja auch nur glauben, dass ich mich gebessert habe. Denn ganz
sicher ist er sich nicht. Er sagt, dass ich erst ein bisschen zunehmen müsse,
bevor er sich mit mir in der Öffentlichkeit zeigt. Dagegen habe ich ja
nichts. Smalltalk mit all diesen pseudowichtigen Leuten hat mich noch
nie interessiert. Franz kann ich nicht recht einschätzen. Er beobachtet
mich, aber er beobachtet ja eigentlich jeden. Bei seinen Geheimnissen ist
das ja auch kein Wunder. Wie ich ihn hasse! Ihn und seine Schwester, die auf Holländisch immer irgendwelches Zeugs über ihrem blöden Kreuz
murmelt. Mich würde echt interessieren, ob sie etwas weiß …
25. August
Es gab im Esszimmer einen Riesenstreit zwischen Franz und Titus.
Titus hat eine »Bekannte« in Oxford, die Frau dieses Kriminalbeamten,
der David ins Gefängnis gebracht hat …
Trave blickte auf, merkte, dass seine Frau zu ihm hersah, und senkte den Blick gleich wieder. Dass sie ihm jetzt gegenübersaß, war ihm so normal vorgekommen, dass er für einen Moment völlig vergessen hatte, welch tiefer Graben sie voneinander trennte. Er biss sich auf die Lippe und las weiter:
Franz ist dagegen. Er sagt, die Frau eines Polizisten ist eine schlechte Wahl. Warum wohl!? Franz hätte wahrscheinlich gegen jede Frau etwas, die Titus anschleppt. Jeder weiß, wie er gepolt ist, aber niemand spricht es aus. Noch eine Lüge. Das ganze Haus ist auf Lügen aufgebaut.
28. August
Ich hasse Franz. Ich hasse die Art, mit der er mich die ganze Zeit beobachtet, die Art, wie er grinst. Als wisse er einerseits genau, wonach ich suche, andererseits aber auch, dass ich es nie finden werde. Ich kann weder essen noch schlafen. Ich will wieder nach Oxford und mir einen Schuss geben und das alles vergessen, aber das geht ja auch nicht. Ich habe es versprochen, sowohl mir selbst als auch Jacob.
Wenn ich mir meinen Onkel so betrachte, kann ich nicht glauben, dass er mit der Sache etwas zu tun hat. Er war immer gut zu mir und behandelt
mich meist so, als sei ich seine Tochter. Aber wenn Franz Dreck am Stecken hat, ist das bei ihm vielleicht auch so. Das ist es, was ich herausfinden muss. Hinter einem Bild in Titus’ Schlafzimmer ist der Safe. Gestern stand er offen. Ich habe es vom
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