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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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gemeint. Das konnte ich sehen. Es hat sie viel Mühe gekostet, diese Worte herauszubringen.«
    »Hat sie sonst noch etwas gesagt?«
    »Nein, nur das. Aber wen hat sie gemeint, Titus?«, fragte Vanessa, jetzt mit Nachdruck. »Könnte es sein, dass dein Schwager etwas mit ihr macht, von dem du nichts weißt? Ich mag nicht, wie er mich manchmal ansieht. Als ob er mich hassen würde.«
    Vanessa ergriff Titus’ Hand, während sie sprach. Vielleicht hatte sie ihre Abneigung gegenüber Franz zu lange für sich behalten. Sie merkte, wie Titus neben ihr erstarrte, wie überraschend dieser Gefühlsausbruch für ihn kam. Ohne zu antworten ließ er vorsichtig ihre Hand los, nahm beide Gläser und ging hinüber zur Anrichte, wo er mit präzisen Bewegungen nachschenkte. Als er fertig war, ergriff er ihre Hand und legte sie um ihr Glas.
    »Trink«, sagte er. »Du kannst es gebrauchen. Wir können es beide gebrauchen.«
    Vanessa tat, wie ihr geheißen. Tatsächlich fühlte sie sich mit dem Alkohol besser, doch nach wie vor blickte sie erwartungsvoll zu Titus hinauf.
    »Zwei Fragen, Vanessa, und beide benötigen eine Antwort«, sagteTitus langsam und mit Bedacht. »Was die erste betrifft: Nein, niemand in diesem Haus hat vor, meine Nichte zu töten, am allerwenigsten Franz. Und doch überrascht es mich nicht zu hören, dass sie das ganz offensichtlich glaubt. Sie wird in diesem Haus gegen ihren Willen festgehalten, und ohne die Drogen, nach denen sie sich verzehrt, muss sie ihren Verstand gebrauchen und nachdenken. Was für sie verheerend ist.«
    »Warum denn?«
    »Weil sie das hat, was ihr Engländer ›eine nervöse Veranlagung‹ nennt, und ihre Gedanken sehr schmerzhaft sind – der Tod ihrer Eltern im Krieg, der Verlust ihres Zuhauses, der Mord an Ethan, ihre Schuld an seinem Tod.«
    »Aber warum sollte sie sich schuldig fühlen? Sie konnte doch nichts dafür, dass dieser Swain durchgedreht ist.«
    »Sie glaubt das eben. Und ich kann verstehen, warum sie sich verantwortlich fühlt. Hätte sie kein Verhältnis mit Ethan gehabt, wäre er heute noch am Leben.«
    »Aber das ist Unsinn. Wir sind in England. Menschen müssen doch entscheiden dürfen, mit wem sie zusammen sein wollen.«
    »So wie wir beide«, sagte Titus mit einem halbherzigen Lächeln. »Ich frage mich, was wohl dein Gatte dazu sagt.«
    »Es gefällt ihm nicht – natürlich nicht –, aber das heißt nicht, dass er meint, die Menschen dürften nicht frei entscheiden.«
    »Auch wenn sie verheiratet sind?«
    »Ja, auch wenn sie verheiratet sind. Was deine Nichte übrigens nicht einmal war«, ergänzte Vanessa mit spitzer Zunge.
    »Du hast ja recht«, sagte Titus mit einem Seufzer. »Katya braucht sich nicht schuldig zu fühlen, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie es tut. Ich wünschte, ich könnte sie dazu bringen, die Dinge anders zu sehen. Wie gesagt, sie ist sich selbst ihr größter Feind.«
    »Und wenn man sie mit jemand anderem zusammenbringt? Ein Psychiater könnte doch helfen?«
    »Glaubst du etwa, das habe ich noch nicht probiert?«, sagte Titus verbittert. »Sie will mit niemandem reden.«
    »Aber irgendetwas muss man doch tun können.«
    »Nur das, was wir schon machen. Ihr Liebe geben und sie vom Schlimmsten fernhalten. Und natürlich darauf hoffen, dass die Zeit ihre Wunden heilt. Daran glaube ich fest.«
    Titus verstummte gedankenverloren, und Vanessa schwieg, denn sie war sich sicher, dass er weiterreden würde. Er sprach selten über sich, und sie wollte den Fluss seiner Gedanken nicht unterbrechen. Doch als er den Mund wieder aufmachte, wechselte er das Thema.
    »Du hast mich nach Franz gefragt«, sagte er. »Es tut mir leid, dass du ihn nicht magst. Er ist nicht einfach, das weiß ich. Und mit Frauen hat er es nicht so. Aber das liegt nicht daran, dass er sie nicht mag oder dich nicht mag. Da kannst du dir absolut sicher sein. Vielmehr ist es so, dass er sich unwohl fühlt, weil er nicht weiß, was er sagen soll. Seine Mutter starb, als er noch sehr klein war, und der Vater war weg, so war es mehr oder weniger seine ältere Schwester Jana, die ihn großzog. Sie hat getan, was sie konnte, aber die Mutter konnte sie ihm nicht ersetzen – und das nicht nur, weil sie so jung war. Später war er dann beim Militär …«
    »Beim belgischen?«
    »Ja. Zehn Jahre lang, bis der Krieg ausbrach. Dort hat er sich gut gemacht, aber diese Zeit hat doch Spuren hinterlassen. Ich glaube, man könnte sagen, er hat die guten und die schlechten

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