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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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befolgt die Zehn Gebote. Du sollst nicht stehlen. Du sollst den Namen Gottes nicht missbrauchen«, sagte Eddie und imitierte dabei überraschend gut O’Briens irischen Akzent. »Du weißt schon, was ich meine.«
    Eddie drehte sich zu David und sah für einen Moment auf ihn herab, dann kam er auf ihn zu und setzte sich neben ihn auf die Pritsche.
    »Er hat dich durcheinandergebracht, dieser Ire, stimmt’s?«, fragte er und sah David dabei in die Augen.
    »Nein, nicht wirklich. Das ist es nicht. Es ist, also, ich verstehe einfach nicht, warum du dich so für mich interessierst, warum du mir all diese Fragen stellst, warum du so nett zu mir bist. Ich meine, andere Knackis sind nicht so. Manche sind ganz in Ordnung, aber …«
    »Sie sind nicht so wie ich?«, fragte Eddie und vollendete so Davids Satz.
    »Ja.«
    David fühlte sich gut und gleichzeitig schlecht. Gut, weil er die Frage gestellt hatte, die er stellen musste. Schlecht, weil er Eddie nicht angreifen wollte und hoffte, das auch nicht getan zu haben. Eddie war der einzige Freund, den er an diesem gottverlassenen Ort hatte, und er wollte ihn auf keinen Fall verlieren.
    »Wenn ich also sage, ich bin nett, weil ich einfach ein großes Herz habe, dann reicht dir das nicht, stimmt’s?«, fragte Eddie und lächelte.
    David schüttelte erleichtert den Kopf. Zumindest hatte Eddie die Sache nicht in den falschen Hals bekommen.
    Eddie betrachtete David einen Moment lang wie weggetreten. Wie ein Buchmacher, der über seine Gewinnchancen nachdachte. Und dann, als hätte er eine Entscheidung getroffen, beugte er sich zu David und klopfte ihm auf die Schulter.
    »Also gut, Davy, ich verrate dir, warum ich so nett bin. Aber du musst dichthalten, auch wenn dir nicht gefällt, was ich jetzt sage.«
    Er legte den Zeigefinger auf die Lippen, und David nickte.
    »Also. Ich bin nett zu dir, weil ich dich mag, aber auch, weil ich dich brauche.«
    »Brauche!« David klang schockiert. Das zu hören, hätte er am wenigsten erwartet. Eddie war doch der mit den vielen Ideen – problemlos imstande, sich alles Mögliche beschaffen, von weiß Gott woher. Wofür konnte er David nur brauchen?
    »Um zu fliehen«, sagte Eddie und beantwortete so die Frage.
    Fliehen. Das war der Gedanke, der ständig am äußersten Rand von Davids Bewusstsein lauerte, den er nie zulassen wollte, weil er wusste, dass diese Hölle ohne Ausweg war und dass darüber nachzudenken ihn wahnsinnig machen würde. Und plötzlich war er doch da, laut geäußert, als etwas im Bereich des Möglichen, als etwas, das tatsächlich geschehen konnte. David spürte sein Herz hämmern. Er streckte die Hand aus und hielt sich an der Metallleiterzur oberen Pritsche fest, als wolle er einen Sturz verhindern – dabei saß er ja und hatte die Füße fest am Boden.
    »Ich brauche dich, weil man hier nur zu zweit rauskommt. Und ich habe den Eindruck, du willst es genauso sehr wie ich. Das eine habe ich gelernt: Um auch nur die geringste Chance auf Erfolg zu haben, muss Abhauen das sein, was du dir mehr als andere auf der Welt wünschst. Willst du es so sehr, Davy?«
    David antwortete nicht, deshalb bohrte Eddie weiter.
    »Du willst doch sicher dieser Katya noch einmal begegnen und ihr sagen, was du denkst, was du fühlst! Oder macht es dich etwa glücklich, dass sie in ihrem fetten, schönen Haus herumsitzt und über dich lacht, während du hier drin eingehst wie eine Primel?«
    Eddie blickte seinen Mitinsassen erwartungsvoll an. David musste schlucken, antwortete aber immer noch nicht. Und trotzdem wusste Eddie, dass er erreicht hatte, was er wollte. In Davids Augen war plötzlich ein Feuer. Sie waren weiter geöffnet als je zuvor während der Haft. Er hatte an die Welt da draußen gedacht – an die Luft, das Wasser, die Bäume und das Gras, aber jetzt dachte er an Katya, und sein Mund verzog sich zu einer Grimasse. Eddie hatte recht. Sie hatte das alles, in jeder Minute des Tages.
Dieses Luder
, dachte er wütend.
Dieses gemeine Luder
.
    »Ja, ich will hier raus«, sagte er. »So sehr, dass es wehtut.«
    »In Ordnung«, sagte Eddie zufrieden. »Das habe ich mir gedacht. Aber du musst machen, was ich sage. Es wird nicht leicht sein. Ausbrechen ist kein Zuckerschlecken.«
    David nickte und sah dann unwillkürlich hinauf zu dem kleinen Fenster ganz oben in der Rückwand der Zelle. Es war winzig, viel zu klein, als dass ein Mensch durchgepasst hätte, selbst wenn er zuvor die drei dicken Eisenstäbe hätte durchsägen können, die in

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