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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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tastete sich langsam hinunter, um den Schalter zu finden. Es klickte, und plötzlich war der Raum in ein schwaches, grünliches Licht getaucht. David blinzelte und orientierte sich. Über dem Sims des offenen Kamins hing ein großes Gemälde, allem Anschein nach ein Motiv aus der Bibel.
Wahrscheinlich so
wertvoll wie alles andere in Osmans Besitz
, dachte David grimmig und ließ den Blick über die luxuriöse Einrichtung streifen – den dicken Axminster-Teppich, die langen Reihen von Büchern, alle in Leder gebunden und mit goldgeprägten Rücken, die Seidenvorhänge. David musste an seine feuchte, dunkle, übelriechende Zelle im Gefängnis denken, und der Unterschied zwischen den beiden Räumen ließ die Wut ihn ihm hochsteigen: Irgendetwas wollte er hier kaputtmachen. Aber deshalb war er ja nicht gekommen. Er brauchte eine Taschenlampe, ein Licht, mit dem er sich im Haus zurechtfinden konnte. Aber außer der Lampe und einem Telefon befand sich nichts auf dem Schreibtisch, und in den Schubladen waren nur nutzlose Papiere, wobei die in der Mitte sich gar nicht öffnen ließ. David schlich hinaus auf den Gang und ließ die Tür hinter sich geöffnet, um wenigstens ein bisschen Licht zu haben. Im Raum jenseits des Flurs konnte er so den Umriss eines langen, ovalen Tisches erkennen. Und auf diesem Tisch standen Kerzen, schön nacheinander aufgereiht: lange weiße Kerzen auf eleganten Silberständern.
Zu einem Altar würden die eher passen als zu Osmans Esstisch
, schoss David durch den Kopf, während er in seiner Tasche nach Streichhölzern suchte.
    So war alles viel einfacher. Eine der Kerzen vor sich hertragend, den Revolver in der anderen Hand, ging er langsam den Gang hinunter Richtung Eingangshalle. Am Fuß des breiten, reichverzierten Treppenaufgangs stockte er plötzlich: Direkt vor ihm, mitten auf der vierten Treppenstufe, funkelten ihm die grünen Augen einer schwarzen Katze entgegen. Für einen Moment starrten die beiden sich ohne jede Bewegung an, doch dann merkte David, dass die Katze einen Buckel machte, als wollte sie ihn anspringen, und hob unwillkürlich Waffe und Kerze vors Gesicht, um den Angriff abzuwehren. Aber stattdessen lief sie an ihm vorbei die Treppe hinunter. Er spürte noch ihr Fell an seinem Bein, dann war sie auch schon hinter ihm in der Dunkelheit der Eingangshalle verschwunden.
    David holte mehrmals tief Luft, als könne er durch das Ausatmen seine Furcht an die Finsternis weiterreichen. Dann gab er sich einen Ruck und begann vorsichtig die Treppe hinaufzusteigen. Die Wände waren vollgehängt mit Bildern und Gemälden, aber David sah weder nach rechts noch nach links. Stattdessen richtete er seine Konzentration ausschließlich auf den Boden unter seinen Füßen. Er wusste, wo er hinwollte. Katya hatte ihn an dem Tag, als sie ihm das Haus zeigte, auch mit in ihr Zimmer genommen. Es lag im oberen Stockwerk, etwa auf der Hälfte des Korridors. Man musste den Kopf ein wenig einziehen, denn die Decke war abgeschrägt. Er konnte sich gut daran erinnern, wie er auf ihrem schmalen Bett gelegen hatte. Und er erinnerte sich auch an den Geschmack ihrer Küsse auf seinen Lippen. Ihre Nervosität – weil er da war und weil ihr Onkel heimkommen und sie entdecken konnte – hatte den Nachmittag aufregender gemacht als jede andere ihrer Zusammenkünfte. Sein Herz hatte so heftig in seiner Brust geschlagen, als wolle es zerspringen. Genau wie jetzt.
    Während er auf Zehenspitzen den Korridor entlangschlich, dachte er für einen Moment, er hätte hinter sich etwas gehört – ein Rascheln oder eine schnelle Bewegung. Er blickte sich um, nicht ganz sicher, ob er jetzt weitergehen oder doch umdrehen sollte. Vielleicht schlief da nur jemand hinter einer der verschlossenen oder auch halbgeöffneten Türen. Er hatte ja keine Ahnung, wer alles hier oben war. Aber jetzt herrschte wieder Ruhe. Vorsichtig ging er weiter und hielt schließlich vor Katyas Türe an.
     
    Here comes a candle to light you to bed, here comes a chopper to chop off your head
– Hier kommt ein Lichtlein, das zeigt dir dein Bett, hier kommt der Henker, der schlägt dir den Kopf ab.
     
    Die Verse des alten Kinderreims schossen ihm auf einmal durch den Kopf, und er musste lächeln, während er behutsam den Kerzenständer absetzte, seine Hand ausstreckte und die Türe öffnete.

Kapitel Sieben
    Inspector Trave schreckte aus dem Schlaf auf. Er war ganz weit weg gewesen und hatte den Lärm des klingelnden Telefons neben seinem Bett

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